Ein Verbot der Burka reicht nicht aus

Zwang zur Aufklärung

Das Verbot von Burka, Burkini und Hijab ist autoritär, aber notwendig.

In Cannes wird der Burkini vom Strand verbannt, hierzulande steht das öffentliche Tragen der Burka und des Niqab zur Debatte. Leidtragende dieser Diskussionen und Verbote seien die betreffenden Frauen, lautet der Tenor von al-Jazeera über Süddeutsche bis zur Zeit. »Wie viele Attentate wurden eigentlich schon von Mädchen im Burkini begangen?« fragt die Zeit sogar ernsthaft. Irgendetwas von Religionsfreiheit wird immer wieder betont und dass doch gerade der Burkini eine Möglichkeit für jene muslimischen Frauen sei, am öffentlichen Leben zu partizipieren. Empowerment und Sichtbarkeit sind mal wieder die Phrasen der Stunde.
Burkini ist ein komplettes Unwort und ein Oxymoron, das die extremste Verhüllung mit der ausgerpägteste Freizügigkeit zu vereinen versucht. Anders als es Leila al-Serori in der Süddeutschen Zeitung vom 15. August schreibt, ist das Absurde an der Bezeichnung jedoch nicht die Assoziation zur Burka, sondern jene zum Bikini. »Ein Burkini ist keine Burka«, lautet Titel und Leitmotiv des Artikels. Das ist soweit richtig. Die Begründung dieses Urteils und die damit verbundene Verteidigung dieses Badeaccessoires ist jedoch von einer kaum zu ertragenden Perfidie: »Ein Burkini verdeckt nicht das Gesicht einer Frau, er steht nicht für Unterdrückung, (da er ja schließlich) auch Hände und Füße freilässt.« Vielmehr entspräche der Burkini »eher der Badevariante eines Hijab, also der meistgetragenen muslimischen Kopfbedeckung«; und zig hundert Millionen Musliminnen können schließlich nicht irren. Die englische Bezeichnung sharia swimsuit trifft es hingegen sehr viel eher, da sie die scheinbaren Grenzen zwischen diesen Verhüllungen bewusst ignoriert und ihre repressive Gemeinsamkeit benennt. Der Burkini sei nun al-Serori zufolge ein »Indiz für eine stärkere Teilnahme strenggläubiger Frauen am öffentlichen Leben«.
Wer dieses Modestück verbiete, lautet eine gängige Argumentation, sperre die Frauen erst recht ein. Man verweise sie wieder auf ihren Platz am Herd und mache sie erneut zu Objekten. Das ist vollkommen richtig – jedoch nur innerhalb der islamischen und verbündeten Denkformen, und gerade deshalb in einem vernünftigen Sinne völlig falsch. Es ist vielmehr eine Ausdrucksweise jenes Appeasements, das Mohammed ernsthaft als Feministen betrachtet, wie es auf der Website des Gunda-Werner-Instituts, der Zweigstelle für »Feminismus und Geschlechterdemokratie« der Heinrich-Böll-Stiftung, zu lesen ist.
Keine Frage: Das Verbot ist autoritär und somit eine recht unschöne Angelegenheit. Aber es nimmt den Islam so ernst wie zahlreiche Muslime selbst, nämlich als eine totalitäre Ideologie, die sich auf einen Satz reduzieren lässt: »Ihr gebietet, was recht ist, verbietet, was verwerflich ist.« (Sure 3:110) Die Pflicht, das Gute zu gebieten und das Schlechte zu verbieten, ist nun seit Jahrhunderten neben oder besser zusammen mit dem Jihad die faktische sechste Säule des Islam.
Das projektive Strafbedürfnis, gegen das sich der Ausspruch Jesu »Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein« richtet, ist im Islam regelrecht institutionalisiert, was die sich beispielsweise in der symbolischen, mehrmaligen Steinigung des Teufels während der Pilgerfahrt zeigt. Dabei sollte man niemals vergessen, dass dieser Teufel so gut wie alles verkörpert, was Freiheit genannt zu werden verdient. Der offensichtliche Terror der Attentate ist eben nur die Spitze dieses Elends, das entgegen den zahlreichen Relativierungen alltagsislamisch-hausgemacht ist. Aus diesen Gründen hat David Lisnard, der Bürgermeister von Cannes, völlig Recht, wenn er das Burkini-Verbot damit begründet, es handle sich beim Burkini um eine »ostentative Kleidung, die auf eine Zugehörigkeit zu terroristischen Bewegungen hinweist, die gegen uns Krieg führen«. Dieser Krieg, der kleine und große Jihad, ist eine Alltagserscheinung und Lisnard irrt eigentlich erst mit seiner Einschränkung, es sei nicht die Uniform »der muslimischen Religion«.
Von feministischer Seite wurden Kopftuch und Schleier bereits 2002 beispielsweise von Birgit Rommelspacher (Stichwort »Dominanzkultur«) verteidigt: »Der Schleier dient den Frauen als Sicherheit und Schutz, indem der private Raum in die Öffentlichkeit mitgenommen wird.« Mit dieser Aussage gegen die Trennung von Öffentlichkeit und Privatheit ist sie sogar im Rahmen der islamischen Logik. Denn auch die Ableitung der Kopftuch-Pflicht bezieht sich auf eine Trennwand. Das Kopftuch und der Schleier sind also eine Verlängerung der verdeckenden Zeltwände. Das ist dann auch die angebliche Emanzipation, die der Religionsstifter Mohammed den Frauen gebracht hat. Er machte aus ihnen wandelnde Zelte, die heutzutage im Zweifelsfall einfach unter das Campingverbot am Strand fallen müssten. Man kann die Prämissen des Islam, einer Frau sei der Aufenthalt in der Öffentlichkeit – eine Öffentlichkeit, die sich durch die bloße Anwesenheit eines fremden Mannes auch in die eigenen vier Wände verlagert – nur verhüllt erlaubt, prinzipiell nicht akzeptieren, ohne den zutiefst patriarchalen Aspekt dessen mit zu unterschreiben.
Zum Verbot des Schleiers in der Kolonialzeit schrieb Rommelspacher: »Auch die algerischen Männer haben dies als eine symbolische Vergewaltigung empfunden.« Die Kritik richtet sich neben dem »kolonialen Feminismus« auch gegen die Entschleierungspolitik Atatürks sowie des persischen Schah. Diese »symbolische Vergewaltigung« der Männer ist aber erst einmal nur eine notwendige narzisstische Kränkung jener, die die relative Ehre einer Frau an die Stelle ihrer absolute Würde setzen.
Der Strand ist ein denkbar ungeeigneter Ort für politische Kämpfe. Zum einen ist es ein Ort der unklaren Gedanken, des Dösens, an dem die Sonne das Hirn zerbrutzelt. Zum anderen ist die heutige westliche Strandkultur und -mode ein äußerst spätes Resultat der Aufklärung. So rigide wie die Burkini-Fans war sie jedoch nie. Sie ist aber gerade wegen der relativen Aktualität dieser Errungenschaft so energisch zu verteidigen, da sie noch nicht tief verankert ist. Im Prinzip geht es hier um Tendenzen: Der Bikini schränkt den Bereich der weiblichen Scham auf das Nötigste ein (Microkini), der Burkini erweitert die Scham (aura) hingegen auf das maximal Mögliche.
In der Süddeutschen heißt es nun: »Wer an den Strand geht, zeigt schließlich, dass er sich der hiesigen Gesellschaft zugehörig fühlt.« Eben nicht, sondern wer nur derart gekleidet an den Strand geht, zeigt damit in aller Öffentlichkeit, dass er oder in diesem Falle sie sich der hiesigen Gesellschaft in keiner Weise zugehörig fühlt und den jihad bi l-yad betreibt, einen Jihad durch moralische Taten. Dabei ist die Frage, ob der Islam zu Deutschland und der hiesigen Gesellschaft gehöre, grundlegend falsch, denn er gehört nirgendwo hin, auch nicht in die Levante, den Maghreb oder nach Südostasien. Ebenso tückisch ist es, eine Reform des Islam zu fordern, denn das islamische Erwachen, in dessen Zuge der Burkini schließlich populär wurde, ist längst die oftmals geforderte Reformation des Islam im lutherischen Sinne. Nicht die Reformation des Christentums, sondern die Säkularisierung hat hierzulande Errungenschaften der individuellen Freiheit herbeigeführt – beispielsweise recht lockere Sitten am Strand.
Ein Verbot ist niemals ausreichend, wem dieses schon genügt, offenbart sich vielmehr als autoritärer Charakter alter Schule. Zu Aufklärung und Förderung gehört jedoch auch ein gewisser Zwang, wie die Schulpflicht inklusive koedukativem Sport- und Schwimmunterricht. Völlig fatal ist es, von öffentlicher Seite auf den Burkini zurückzugreifen, um letzteren attraktiver für muslimische Eltern und Mädchen zu gestalten, da man damit der Erpressung von durch die kollektive islamische Zwangsmoral schon nachgibt und das Angebot des islamischen Erwachens dankend annimmt.
Auch das eine aktivistische Verbot löst das Dilemma keineswegs praktisch auf, denn dies würde verlangen, sich erst einmal über die Ziele der Praxis bewusst zu werden, die nicht in einem Kompromiss bestehen können, solange der Islam einen totalitären Anspruch an den Tag legt und den Kompromiss herbeizwingt. Dies jedoch macht sein Wesen aus. Und auf dieses ganze Unwesen müssen sich Verbote, Aufklärung und Öffentlichkeit endlich gleichermaßen beziehen, wollen sie dem Siegeszug des Islam, seiner Unterdrückung der Frau inklusive Moralisierung des Alltagslebens und damit auch des Strandes ein wirkliches Ende bereiten. Wenn Empowerment das aktuelle Gebot sei, dann das der Frau als Individuum, ob nackt, im Kleidchen oder Hosenanzug, aber nicht als Trägerin einer islamischen Zwangsjacke namens Burkini, Burka oder Hijab.