Auf die Barrikaden!

Ich befinde mich übrigens im Kampf, im Arbeitskampf. Von euch Cappuccino trinkenden Hipstern da draußen hat das vermutlich wieder niemand mitbekommen, aber an den Schulen in Berlin geht’s voll zur Sache. Übernächtigte Streikposten stehen auf brennenden Barrikaden und schwenken die Fahnen, während sie die Internationale intonieren und ganz nebenbei ihren Schützlingen das ABC von Revolte und Klassenkampf beibringen. Mit der Wut der Verzweiflung kämpfen wir für die Abschaffung des Kapitalismus und die Öffnung aller Grenzen, verfassen entfesselte Pamphlete und schleudern all den kranken Alt- und Neurechten, den Islamisten, den Wutbürgen, diesem ganzen kaputten autoritären, homophoben, rassistischen, sexistischen, antisemitischen Komplex unseren ungeschminkten Hass entgegen, auf dass er sie verbrennen möge oder bekehren, ein für alle Mal, damit wir dann gewonnen haben und nach Hause gehen und endlich in Ruhe Netflix gucken können.
Beziehungsweise es ist natürlich nicht ganz so, wäre ja auch Quatsch, mitten in den Schulferien Barrikaden vor Schulen zu errichten. Und wir haben, was das Anzünden betrifft, auch alle Angst vor Brandblasen und sind uns nicht sicher, ob das nicht sogar strafbar ist. Inhaltlich haben wir uns vorläufig auch erstmal mehr auf den Bereich Bildung und das Tarifrecht konzentriert, jedenfalls haben wir in diesem Jahr schon zweimal gestreikt, für eine fairere tarifliche Eingruppierung und solche Sachen, das ist schon auch wichtig! Nach den Ferien soll es gleich weitergehen, zumindest hat die GEW für den Fall, dass es bis dahin immer noch keine Einigung mit dem Senat geben sollte, einen Streik für die erste Schulwoche angekündigt, eine Terminwahl, die von vielen Lehrkräften augenblicklich und berechtigterweise als ungünstig kritisiert wurde, da die Gefahr besteht, dass ein Streik in dieser Woche den Schulbetrieb beeinträchtigen würde. Das wollte schon vor den Sommerferien niemand, weswegen der Senat vollen Erfolg hatte mit seiner Strategie, auf Forderungen so lange nicht zu ­reagieren, bis ein auf die Ablehnung folgender Streik in die Zeit der Abiturprüfungen fallen musste. Zumindest an den Gymnasien waren nicht viele bereit, den Abschluss des Schuljahres und diverser Bildungskarrieren für empörtes Herumstehen in Berlin-Mitte ausfallen zu lassen.
Ich persönlich bin dafür, den Streik im Sinne eines möglichst störungsfreien Schulbetriebes schnellstmöglich, also noch in den Sommerferien, durchzuführen. Sollte das nichts bringen, können wir nach Schulbeginn immer noch mit kreativen und subversiven Techniken Ungehorsam und Auflehnung signalisieren. Eine entrüstete Schweigeminute wäre doch zum Beispiel eine Idee, dann wäre jedenfalls auch mal Ruhe im Karton. Zieh dich warm an, Schweinesystem, die Lehrkräfte kommen, und sie kommen mit Macht!