»Sie kennen die Unsicherheiten«

Ferienzeit, schöne Zeit? Für viele Lehrerinnen und Lehrer mit befristeten Verträgen gilt das nicht. Sie werden zu den Sommerferien einfach in die Arbeitslosigkeit geschickt und nur unter Umständen zu Unterrichtsbeginn neu eingestellt. Marlis Tepe, Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), hat mit der Jungle World über die Hire-and-Fire-Lehrkräfte gesprochen.

Wie sehen solche befristeten Verträge für Lehrer aus?
Häufig bekommen Lehrkräfte einen Arbeitsvertrag für ein Schuljahr, der die Sommerferien ausklammert. So sanieren sich die Bundesländer auf Kosten der Beitragszahler der Sozialkassen. Diese Sparmaßnahme zu Lasten der Arbeitslosenversicherung müssen die Länder sofort stoppen. Das Hire-and-Fire-Prinzip wird weder den Lehrkräften noch den Schülerinnen und Schülern gerecht. Keine Lehrkraft weiß, ob sie nach den Sommerferien für das kommende Schuljahr wieder eingestellt wird. Damit fehlt den Schulen, aber auch den Lehrerinnen und Lehrern Planungssicherheit.
Stechen bestimmte Bundesländer heraus bei Entlassungen im Sommer?
In den vergangenen Jahren war zahlenmäßig das Bundesland Baden-Württemberg immer besonders auffällig. Man könnte zunächst denken: Klar, es handelt sich ja auch um den größten Arbeitgeber für Lehrkräfte in Deutschland. Aber Baden-Württemberg sticht auch prozentual heraus. Das Problem besteht insgesamt eher in West- als in Ostdeutschland. Sachsen ist beispielsweise ein Land, in dem im aktuellen 45 Prozent der freigewordenen Stellen nicht mit vollständig ausgebildeten Lehrkräften besetzt werden konnten. Dort wird versucht, alle Lehrkräfte zu halten, die bislang nur befristete Verträge hatten.
Was können die Gewerkschaften für die prekarisierten Lehrer tun?
Die Gewerkschaften haben durchgesetzt, dass auch Menschen mit befristeten Verträgen den entsprechenden Urlaubsanteil erhalten. Die Personalräte einzelner Schulen können auf jeden Fall auch Fragen wie den Urlaubsanspruch aushandeln. Die GEW setzt sich zudem auf der politischen Ebene ­dafür ein, dass die Länder ihre derzeitige Praxis beenden.
Wie hoch ist der gewerkschaftliche Organisierungsgrad bei ­Lehrern mit befristeten Verträgen?
Manche junge Menschen mit befristeten Verträgen denken: Wenn ich mich organisiere, werde ich vielleicht nicht wieder eingestellt. Das ist natürlich abwegig. Für Mitgliedschaft und Arbeit in der Gewerkschaft wird man ja nicht bestraft. Die GEW hat viele dieser jungen Menschen organisiert, aber wir haben sicherlich noch Luft nach oben.
Zeigen sich verbeamtete und festangestellte Lehrer solidarisch mit den prekär arbeitenden Kollegen?
Die Lehrerinnen und Lehrer, die fest im Sattel sitzen, machen sich immer große Sorgen um ihre befristet beschäftigten Kolleginnen und Kollegen. Sie setzen sich dafür ein, gute Lösungen für sie zu finden. Viele kennen die Situation selbst, weil sie zu Beginn ihrer Berufslaufbahn auch befristet angestellt waren. Sie kennen die Unsicherheiten, die befristete Beschäftigungsverhältnisse auslösen.
Was ist von den verantwortlichen Bildungspolitikern zu dem Problem zu hören?
Eine häufige Aussage lautet: Wir haben die Vertretungsmittel nur in Form von Geld und nicht in Form von Planstellen. Wir sagen dann: Man muss überall Stellen für den Vertretungsbedarf schaffen, etwa bei Krankheit oder für die Fortbildung. Die GEW schlägt deshalb vor, eine permanente Vertretungsreserve von gut fünf Prozent einzurichten. Darauf sagen Bildungspolitiker: Die Finanz­politiker lassen uns keinen Spielraum. Deshalb fordern wir: Es muss mehr Geld für Bildung in die Landeshaushalte fließen, damit so viele Stellen geschaffen werden können, dass der reale Personalbedarf gedeckt wird.