Die Gewerkschaften im US-Wahlkampf

Arbeitermacht für Trump

Die US-Gewerkschaften unterstützen traditionell die Demokraten und werben nun für Hillary Clinton. Doch immer weniger Lohnabhängige sind gewerkschaftlich organisiert, Donald Trump hat mit seinen protektionistischen und nationalistischen Parolen bei vielen weißen Arbeitern Erfolg.

Der National Border Patrol Council und die New England Police Benevolent Association sind die einzigen amerikanischen Gewerkschaften, die Donald Trump offiziell unterstützen. Alle anderen Gewerkschaften stehen zu Hillary Clinton. Die US-amerikanischen Gewerkschaften unterstützen traditionell die Demokraten und spielen in deren Wahlkämpfen eine wichtige Rolle. Fast 60 Prozent der Gewerkschafter und ihrer Familienangehörigen stimmten 2008 für Barack Obama, 2012 kamen ein Fünftel seiner Wähler aus Gewerkschaftshaushalten. Insbesondere im sogenannten rust belt, dem weitgehend entindustrialisierten ehemaligen Zentrum der Schwerindustrie im Nordosten, wählten weiße Gewerkschafter überwiegend Obama, während Arbeiter ohne gewerkschaftliche Bindung eher für Mitt Romney stimmten. Im derzeitigen Wahlkampf scheinen die Sympathien weniger klar verteilt zu sein. Donald Trump und Bernie Sanders gewannen bei den Vorwahlen im März in Michigan, dem alten industriellen Herzen Amerikas. Beide hatten die wirtschaftspolitische Botschaft: Freihandel ist schlecht für Amerika und zerstört Arbeitsplätze. Die Entscheidung des Autokonzerns Ford, einen Teil der Produktion nach Mexiko zu verlegen, bezeichnete Trump bereits im Frühjahr als »nationale Schande. »Wir sollten das nicht zulassen. Sie beschäftigen Tausende, aber nicht aus diesem Land«, kommentierte Trump in der vergangenen Woche bei einer Wahlkampfveranstaltung in Flint, Michigan. Die Politik, mit der Trump bei vielen weißen Arbeitern ankommt, ist eine Mischung aus Antimigrationsretorik, Wirtschaftsprotektionismus und Nationalchauvinismus. Mit seinen Tiraden gegen illegale Einwanderung und das Freihandelsabkommen TTIP wirbt er vor allem um Amerikaner mit niedrigen Bildungsabschlüssen. Gleichzeitig kritisiert er die großen Gewerkschaften und wirft ihnen ihre Nähe zum politischen Establishment in Washington vor. In einer Pressemitteilung erklärte er, der Gewerkschaftsverband American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations (AFL-CIO) habe ein System aufgebaut, das nur den Funktionären zugutekomme, und vertrete die amerikanische Arbeiterschaft nicht mehr. Trumps Zielgruppe der Männer über 50 ohne Schulabschluss deckt sich jedoch nicht mit der Gewerkschaftsklientel. Der 2013 veröffentlichen Studie »The State of the Unions« zufolge haben landesweit lediglich fünf Prozent der Gewerkschaftsmitglieder keinen High School-Abschluss. Rund die Hälfte der Mitglieder sind Frauen. Auch die vormals klassische Trennung in blue collar (Arbeiter) und white collar (Angestellte) lässt sich mit dem Schrumpfen der amerikanischen Mittelklasse nicht mehr aufrechterhalten. Gerade in der 12,7 Millionen Mitglieder starken AFL-CIO sind heute weitaus mehr Angestellte organisiert als Arbeiter. Die Gewerkschaften wollen sich im Kampf um die weißen Arbeiter nicht geschlagen geben. Richard Trumka, Präsident der AFL-CIO, nannte Trump einen Scharlatan. »Trump ist Trump«, sagte Trumka der Financial Times. »Er ist ein Rassist, ein Eiferer, ein schwulenfeindlicher Frauenhasser.« Am 10. September begann die AFL-CIO eine landesweite Wahlkampfaktion mit dem Ziel, potentielle Trump-Wähler aufzuklären und sie für Hillary Clinton zu gewinnen. Die Gewerkschaft schickt Tausende von Mitgliedern und Hauptamtlichen von Tür zu Tür und führt Telefonaktionen und Social-Media-Kampagnen durch. Schwerpunkt der Kampagne sind swing states wie Ohio oder Pennsylvania, in denen Republikaner und Demokraten fast gleichauf liegen. Die deutlichen Worte und die großangelegte Aktion des größten amerikanischen Gewerkschaftsbundes zeigen auch das Misstrauen der Demokraten gegenüber ihren Stammwählern und Verbündeten. »Da die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften stetig sinken, verringert sich auch ihr Einfluss auf das Wahlverhalten der Arbeiterklasse«, bemerkt Nelson Lichtenstein, Historiker an der University of California. Das hohe Engagement ihrer Mitglieder sicherte den großen Gewerkschaften bislang ein gehöriges Maß an Einfluss. Der niedrige Organisationsgrad von 11,3 Prozent und die seit langem rückläufigen Mitgliedszahlen lassen die Gewerkschaften aber auch für die Demokratische Partei immer unwichtiger werden.