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»Den falschen Arm erwischt«

In Königsbronn wuchs der Schreiner Georg Elser auf. In dem Ort in Baden-Württemberg befinden sich heutzutage eine Gedenkstätte und eine Statue des Mannes, der am 8. November 1939 nur knapp mit dem Versuch scheiterte, durch ein Bombenattentat Adolf Hitler und weitere Mitglieder der NS-Führung zu töten. Elsers Statue in Königsbronn wurde in den vergangenen Monaten wiederholt von Unbekannten beschädigt. Hellmut G. Haasis ist Autor der Elser-Biographie »Den Hitler jag’ ich in die Luft« und hat mit der Jungle World gesprochen.

Was ist vorgefallen am Elser-Denkmal in Königsbronn?
Im vergangenen Jahr hat eine unbekannte Person mit einer Metallsäge den kleinen Finger der Elser-Statue abgesägt. Das wäre eigentlich kein Problem, denn tatsächlich fehlte Elser wegen eines Unfalls an einer Hand der fünfte Finger. Der Täter hat aber den falschen Arm erwischt. Ende vergangenen Jahres benutzte er eine Mischung mit ätzendem Kalk, die er nur im Gesicht der Statue dick auftrug. Diese besteht größtenteils aus rostendem Stahl, der sich mit der Zeit verändert. Nur das Gesicht und die Hände sind aus Edelstahl. In der vergangenen Woche wurde Ätzkalk auf die gesamte Statue aufgetragen. Auch das hat Spuren hinterlassen.
Gab es früher schon solche Vorfälle?
Seit 2005 gibt es eine Gedenkveranstaltung, immer am Sonntag nach Elsers Todestag, also Mitte April. Da ist niemals ein Gegner aufgetaucht, es wurde nie gepöbelt. Seit die AfD Aufschwung hat, gibt es die Vorfälle.
Wie reagiert die Gemeinde Königsbronn?
Sie hat verlauten lassen, dass die Reparaturkosten bei mehreren Tausend Euro lägen. Nun müssen sich der Georg-Elser-Arbeitskreis und weitere Interessierte treffen, um zu überlegen, was zu tun ist. Am besten wäre es wahrscheinlich, die Statue in beschädigtem Zustand zu lassen und für den Gegner unerreichbar eine Tafel anzubringen, auf der steht, wer Elser war, weshalb er so wichtig ist und dass es Menschen gibt, die die Erinnerung an ihn unterbinden wollen.
Gibt es auch Menschen, die in aller Öffentlichkeit Elser und das Gedenken angreifen?
Prominent hat das Lothar Fritze getan, ein Professor für Politikwissenschaft aus Chemnitz. Er hat schon 1999 einen bösartigen Aufsatz geschrieben. Darin hat er gesagt, Elsers Behauptung, er habe den Krieg verhindern wollen, sei nicht ernst zu nehmen angesichts der schlechten Schulbildung und der mangelnden Belesenheit Elsers. Dabei ging dieser sieben Jahre zur Schule, wie es damals für Arbeiter üblich war, und las viel und anspruchsvolle Literatur. Im Laufe der Jahre hat Fritze seinen Aufsatz mehrere Male geändert, er musste viele Vorwürfe zurücknehmen, da sie der Forschung nicht standhielten. Nach wie vor erhebt er aber den Vorwurf, Elser sei verantwortlich für acht Tote und deshalb ein Mörder. Was Fritze nicht erwähnt: Am Tag des Attentats durften nur Träger des Blutordens der NSDAP in den Bürgerbräukeller, also Leute, die am Hitler-Putsch beteiligt waren. Sieben von ihnen wurden durch die zusammenbrechende Decke getötet. Auch eine Kellnerin starb. Das ist tragisch. Aber man muss sehen, mit welchem Ziel Elser sein Attentat verübte.
Im offiziellen Gedenken an den deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus wird Elser meist mit einer gewissen Ignoranz behandelt. Was ist Ihre Erklärung dafür?
Elser hatte kein Abitur, kam nicht aus einem Adelsgeschlecht, hatte nicht studiert. Er kam aus einem Milieu der kleinen Leute. Mit so einem will man sich nicht brüsten. Und er hat falsch gewählt: bis 1933 immer die KPD. Man darf auch nicht vergessen: Ein Volk, das große, große Scheiße gemacht hat, hat keinen Gefallen an einem, der schon früh gesagt hat: Das ist falsch. Elser wusste schon im Jahr 1936: Es wird Krieg geben. Das war ihm klar, als Nazideutschland die Legion Condor nach Spanien schickte.
Ist man in Baden-Württemberg interessierter an Elser als anderswo?
Die offiziellen politischen Kreise beschäftigen sich nicht mit Elser. Sie kommen weder zu Veranstaltungen des Georg-Elser-Arbeits­kreises noch laden sie Mitglieder des Arbeitskreises ein. Ich hatte den Einfall, eine Sondersitzung des Landtags anzuregen, in der ­Elser geehrt werden sollte. Aber daran ist nicht zu denken, schon gar nicht mit dem rechten Grünen Kretschmann.