Homestory

Homestory

Womit schlagen sich die Redakteurinnen und Redakteure Ihrer kleinen, aber feinen Lieblingszeitung nicht alles herum den lieben langen Tag! Die Zeit, in der einem wegen der Hundehitze das Hirn kochte und die Gedanken ziellos zwischen den Synapsen hin und her eierten, ohne den Weg zur Tastatur und auf die Zeitungsseiten finden zu wollen, ist glücklicherweise vorbei. Aber das heißt noch lange nicht, dass nun die kritische Analyse, die rationale Durchdringung jener seltsamen Realität, die die Gesellschaft des Spektakels mit wachsender Begeisterung produziert, sonderlich leicht fällt. Immer öfter scheinen die gesellschaftlichen Themen, derer man sich anzunehmen hat, unter aller Kritik – so plemplem, dass die Frage auftaucht, wie man sie überhaupt noch halbwegs vernünftig darstellen kann.
Wie etwa soll man die Ausrufung eines von Anfang an illusionären »Waffenstillstands« in Syrien analysieren, der bereits nach wenigen Tagen beendet wird, nachdem ein internationaler Hilfskonvoi offenbar von der russischen oder syrischen Luftwaffe ausradiert wurde? Wie soll man ideologiekritisch dem mörderischen Quatsch – eben noch der Femino-Jihad in Paris, nun in New York der Kochtopf-Jihad – zu Leibe rücken, den die Fans des »Islamischen Staats« und al-Qaidas verbreiten und exekutieren?
Das Problem betrifft keineswegs nur Ihre kleine, aber feine Lieblingszeitung. Auch in den internationalen sogenannten Qualitätsmedien ist seit einiger Zeit gequältes Grübeln an der Tagesordnung. Was tun, wenn immer mehr Angehörige der politischen Kaste nach dem Leitspruch facts don’t work ihre Kampagnen bestreiten? Was wird aus dem berühmten fact checking – das angeblich die Qualitätsmedien von dem Gequassel der yellow press unterscheidet –, wenn Tag für Tag eine neue Welle von kontrafaktischem Bullshit mit hohem Emotionalisierungsfaktor produziert und verbreitet wird? Da kommt man mit fact checking gar nicht mehr hinterher. Und die gute alte Ideologiekritik beißt sich an verrückten Hirngespinsten die Zähne aus, deren Irrationalität zum Himmel schreit.
Zwar war der Kapitalismus noch nie die rationale Veranstaltung, als die er so gern darstellt wird. Aber in Zeiten schwächelnder Akkumulation streift er offenbar auch den Schein von Vernunft ab. Vielleicht ist es an der Zeit, ein Kollektiv historisch-materialistisch gestählter Marxologen zu beauftragen, den tendenziellen Fall der gesellschaftlichen Rationalitätsrate zu berechnen. Um dem Kapitalismus dann, streng wissenschaftlich natürlich, den Garaus zu machen.