Porträt

Märtyrer und Massaker

Auch im Berufungsverfahren wurde festgestellt, dass sein Anliegen verfassungswidrig ist, doch das kümmert ihn bislang offenbar nicht. Milorad Dodik, der Präsident der Republika Srpska, des serbischen Teilstaats in Bosnien und Herzegowina, kündigte an, sich nicht an das Urteil des bosnischen Verfassungsgerichts zu halten. Er will am 25. September die Bevölkerung befragen, ob sie weiterhin am 9. Januar die Unabhängigkeit der Republika Srpska feiern möchte. An diesem »Tag der Republik« soll an die Gründung des Teilstaats 1992 erinnert werden. Doch der 9. Januar ist zugleich der Stephanustag, an dem die serbisch-orthodoxe Kirche ihres Märtyrers gedenkt. Das Gericht sieht die Verquickung von säkularem und christlich-orthodoxem Feiertag als Problem und schreibt eine Verlegung des Termins vor, da Bosniaken und Kroaten diskriminiert würden. Dodik präsentiert sich stets als Beschützer der bosnischen Serben und ist dafür bekannt, Drohungen auszusprechen. Oft lässt er sie aber auch ohne weitere Erwähnung wieder fallen. Es ist deshalb unklar, ob es zur angekündigten Befragung kommen wird.
Während des diesjährigen Feiertags wurden die Kriegsverbrechen an anderen Bevölkerungsgruppen, auf denen die Gründung des Teilstaats fußt, mit keinem Wort erwähnt. Das Gedenken galt stattdessen den Soldaten der Armee der Republika Srpska, obwohl in Bosnien und Herzegowina zwischen 1992 und 1995 mehr als die Hälfte der Bevölkerung fliehen musste. Die meisten ethnischen Säuberungen fanden 1992 statt. Insgesamt starben etwa 100 000 Menschen während des Bosnienkriegs. Der Massenmord in Srebrenica wurde juristisch als Völkermord eingestuft, der politische Verantwortliche Radovan Karadžić zu 40 Jahren Haft verurteilt. Dodik leugnet, dass es in Srebrenica zu einem Völkermord gekommen sei, und relativiert die Opferzahlen. Jede politische Provokation gefährdet die Zusammenarbeit der Teilstaaten des Landes, die kaum gemeinsame Reformen voranbringen. Dodik hofft wohl darauf, dass die Ankündigung der Befragung sich auch auf die Lokalwahlen am 2. Oktober auswirkt und die nationalistische Empörung seiner Partei SNSD Aufwind verleiht. Auch wäre es ein Schritt für Dodiks nationalistisches Großprojekt: ein Referendum zur Abspaltung des serbischen Landesteiles von Bosnien und Herzegowina. Der Friedensvertrag von Dayton erlaubt dies jedoch nicht.