Der Auftritt eines deutschen Rabbinerstudenten in Wien

Armin und der Antisemitismus

Der Rabbinerstudent Armin Langer möchte Juden und Muslime miteinander versöhnen. Dabei scheut er sich manchmal nicht, mit fragwürdigen Vergleichen und Kooperationspartnern zu arbeiten.

»Heute ist es endlich passiert. Ich bin unendlich glücklich. Armin ist endlich in Wien.« Mit diesen Worten wird der Abend eröffnet. Armin Langer wurde auf den Campus Karlsplatz in Wien eingeladen, um über die Frage »Wo hört Antizionismus auf – und wo fängt Antisemitismus an?« zu sprechen. Da dies eine, wie es seitens der Moderation heißt, »konfliktbeladene Diskussion« sei, wünsche man sich eine »emotionale, aber spannende Debatte«. Tatsächlich gelingt keines von beidem.
Armin Langer hat an der Universität Budapest seinen Studienabschluss in Philosophie gemacht. Danach ging er nach Berlin, um Rabbiner zu werden. Der in München geborene Sohn ungarischer Einwanderer ist Koordinator der »Salaam-Schalom-Initiative« im Berliner Stadtteil Neukölln. Anlass für ihre Gründung war die Aussage des Antisemitismusbeauftragten der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Daniel Alter, bestimmte Bezirke, unter anderem Neukölln, seien eine »No-Go-Area« für Juden. Er und seine Tochter waren im August 2012 in Schöneberg Opfer eines antisemitischen Angriffs geworden.
Langer versucht seither, das Gegenteil zu beweisen. Er organisiert Seminare über »muslimische und jüdische Stimmen zur Selbstbestimmung der Frauen«, lädt mit der Muslimischen Hochschulgruppe Berlin zum traditionellen Iftar-Brechen auf das Tempelhofer Feld und veranstaltet regelmäßig einen »Salaam-Schalom-Brunch« am Neuköllner Leuchtturm. Das allein reicht noch nicht für Frieden und Gerechtigkeit, das weiß offenbar auch Langer, deshalb ging er ein paar Schritte weiter. Im Herbst 2014 behauptete er im Berliner Tagesspiegel, Muslime seien »die neuen Juden«. Ein Jahr später riet er dem Zentralratspräsidenten Josef Schuster, die Organisation in »Zentralrat der rassistischen Juden« umzubenennen, nachdem Schuster auf den Antisemitismus unter Zuwanderern aufmerksam gemacht hatte.
Da Langer seit Beginn seines Rabbinerstudiums offiziell als Repräsentant des Judentums gilt und er ohne Rücksprache mit dem Rabbinerseminar Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam seine Ansichten kundtat, durfte er sein Studium nicht mit einer Ordination zum Rabbiner beenden und muss zwölf Monate warten, bis er sich erneut anmelden kann. Langer gibt sich seither als Sprachrohr der »antirassistischen Juden« und geht gegen den Zentralrat auf die Straße. Da Schuster laut über »Obergrenzen« für die Flüchtlingsaufnahme nachdachte, forderte Langer auf einer Kundgebung Ende November 2015 in Berlin mit einer Handvoll Menschen die Aufnahme von »sechs Millionen Flüchtlingen«.
Wegen dieser Qualifikationen scheint Langer nach Wien eingeladen worden zu sein. Schließlich ging es dort darum, die Frage zu klären, ob man »dem/der Neonazi, der/die mit einer Palästina-Fahne rumläuft«, wie es im Ankündigungstext der Veranstaltung heißt, ein eher angespanntes Verhältnis zum Zionismus oder bloß fehlende »Zeit für Dialog und Verständnis« attestieren könne. Etwas, das man Langer bei bestem Willen nicht vorwerfen kann. Zumindest nicht, wenn es um Personen geht, die sich im Umfeld islamistischer Kulturvereine bewegen.
Auch Ender Çetin wurde schnell auf die von Langer produzierten Youtube-Clips über das sorgenfreie jüdische Leben in Neukölln aufmerksam. Çetin ist Vorstandsmitglied der Şehitlik-Moschee am Berliner Columbiadamm. Dort drehten er und Langer von nun an ihre Clips. Die Moschee gehört dem bundesweiten Dachverband Ditib an, der ein spezielles Verständnis von Völkerverständigung hat: Zwei Drahtzieher des Genozids an den Armeniern im Ersten Weltkrieg sind auf dem dortigen Friedhof begraben. Der langjährige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD), bezeichnete die Şehitlik-Moschee als »mit der regierenden AKP gleichgeschaltet«. Zudem gibt es nicht wenige Stimmen, die der Ditib eine Nähe zu den türkischen Antisemiten von Millî Görüş vorwerfen. Deren Gründer Necmettin Erbakan, einst türkischer Ministerprä­sident, neigte dazu, Zionisten als »Bakterien« zu bezeichnen.
Gegen Ende des Abends in Wien gab Langer zu bedenken, dass es »natürlich sehr gefährlich« sei, wenn auf Demonstrationen die Lebensumstände im Gaza-Streifen mit denen in KZ verglichen würden. Trotzdem müsse man sich immer auch ansehen, wer diesen Vergleich gezogen habe, immerhin könnten subjektive Erfahrungen dabei eine große Rolle spielen. Auf Nach­frage klärte Langer auch auf, wieso er gemeinsame Sache mit der Şehitlik-Moschee mache: Oberstes Prinzip sei für ihn die Verpflichtung zur Gewaltfreiheit. Und reden müsse man sowieso mit allen. Aus dem Publikum kam kein Widerspruch, schließlich gehörten die meisten Zuhörer dem Umfeld des Wiener Antizionismus an.