Erinnerungen an Klaus Behnken

Das war sehr extrem

Eine Ich-Geschichte.

Von den vielen Jahren, die Klaus bei der Jungle World war, habe ich nur ein paar miterlebt. Die aber dafür sehr intensiv. 1996 kam ich frisch von der Universität zur Jungen Welt, die damals ein gewisser Behnken leitete. Eigentlich wollte man für meinen Posten eine Frau, doch die zwei, die in Frage gekommen wären, konnten gerade nicht. Glück für mich. Lustig ging es los, die Kaffeemaschine blubberte in dem kleinen Büro, das ich mir mit dem Filmfritzen teilte, mit meinem ewigen Praktikanten versuchte ich, den Lokaljournalismus neu zu erfinden. Wir durften eigentlich alles machen, eine tolle Zeit.
Doch die dunkle Seite der Macht übernahm nur ein Jahr später die Kommandobrücke und warf die Rebellen aus dem Schiff. Klaus sammelte die Seinen um sich und startete das verrückte Unterfangen, eine eigene Zeitung aus dem Boden zu stampfen. Da dort bald ein Gestalter fehlte, fand ich schnell meine Rolle: Ich wechselte vom Redakteur zum Graphiker. Ein paar Jahre lang saßen wir uns jeden Tag und jede Nacht in der Lausitzer Straße gegenüber und machten diese Zeitung. Nach der Arbeit ging es in den Kneipen um den Spreewaldplatz weiter. Es gab damals eigentlich kaum Zeit ohne Zeitung. Das war sehr extrem.
Aber Klaus interessierte sich eben nicht nur für die Inhalte, sondern auch sehr für die Form. So hat er entscheidend am Erscheinungsbild der Jungle World mitgewirkt und ich habe dabei alles gelernt, was ich noch heute für meine Arbeit als Graphiker brauche. Und das ist jetzt etwas pathetisch, aber bestimmt nicht falsch: Ohne Klaus wäre ich heute nicht das, was ich bin, und würde nicht das machen, was ich heute mache. Darum ist das hier auch eine Ich-Geschichte und keine Klaus-Geschichte. Weil ich mir mein heutiges Tun ohne seinen Anteil nicht vor­stellen kann.
Wir haben dann später viel gestritten. Auch persönlich und polemisch und erbittert. Aber nicht unversöhnlich. Aus unseren Briefwechseln habe ich einen Satz aufgehoben, den ich mir an die Pinnwand heften werde: »Zum Älterwerden gehört glücklicherweise dazu, dass man völlig unabhängig sein kann, weil man nichts mehr gewinnen muss, aber auch kaum noch etwas verlieren kann.« So war es bei ihm, so soll es auch bei mir sein.