Erinnerungen an Klaus Behnken

Lachen über die Welt

Klaus Behnken stellte Trash, Ironie und Sarkasmus radikaler Kritik gleich.

»Der Boden der Freundlichkeit« – so lautet der Titel eines Textes von Diedrich Diederichsen, erschienen im Jahr 1998 in der ersten Ausgabe von Die Beute – neue Folge, einer kurzlebigen »Halbjahresschrift für Politik und Verbrechen«. Diederichsen (heute immer noch links) kritisierte die Distanzierung der gerade entstandenen Jungle World (heute immer noch links) von der Linken. Zuvor hatten sich Politiker der PDS an Protesten gegen ein Heim für russische Juden in Gollwitz (heute immer noch Brandenburg) beteiligt, was Jürgen Elsässer (heute stramm rechts) bewog, in einem Dossier 1997 einen Bruch mit der Linken zu fordern.
Es war eine These unter vielen, aber Diederichsen nahm sie, wie auch das Neue Deutschland und Konkret, als die These, die es im Winter/Frühjahr 1997/98 zu debattieren und zu widerlegen galt – bei orthodoxen, modernen und radikalen Linken, Kultur- und Poplinken, die aber bei Diederichsen nicht so heißen durften, weil das simple Zuschreibungen seien. In der ersten Ausgabe der neuen Folge von Die Beute steht Diederichsens Text zur Verteidigung der Linken auf den Seiten 37 bis 54. Weiter vorn, auf Seite 4, wirbt die Jungle World für ein Probeabo unter dem Slogan: »Begrabt die Linke!«
Als Klaus Behnken das sah, hat er gelacht.
Ich weiß nicht mehr, ob er, der damals in der Jungle World für fast alles zuständig war, die Probeabo-Anzeige bewusst in Auftrag gegeben hat, oder ob sie im Zuge des üblichen Anzeigenaustauschs unter linken Medien in Die Beute kam. Es ist auch egal. Ich weiß aber noch, dass eine endlose Debattenreihe auf den Dossierseiten der Jungle World folgte, in der sich die Kombattanten gegenseitig Rechts- und Linksabweichung, Deutschtümelei und Antideutschtümelei, Parteinahme für den Kommunismus oder Antikommunismus vorwarfen. Einiges davon war pure Denunziation und Klaus verstand es als seine Aufgabe, diese Denunziation von der Kritik und vom Argument zu lösen, das Argument und die Kritik zu fördern, die Denunziation in den Hintergrund treten zu lassen. Das gelang nicht immer, die Beschwerden häuften sich, das schelmische Lachen wurde in jener Zeit seltener.
Klaus’ grundlegende Freundlichkeit bestand auch darin, andere zu befähigen, solche Debatten redaktionell zu begleiten – ohne Angst vor Denunziation zu haben –, und Arbeit so zu teilen, dass das Lachen wiederkehren kann. Das hat Klaus getan, wieder und wieder, konzentriert, aufmerksam, an der Sache entlang, also meistens am Text oder an einer Diskussionsreihe, offen, verbindlich, Wissen und Erfahrung weiter­gebend – und meist freundlich.
Redakteursalltag halt. Aus einem mäßigen Text einen guten zu machen, aus einem guten einen besseren, einem hervorragenden den Anruf beim Autor folgen zu lassen und um häufigere Mitarbeit zu bitten. Auch hier: freundlich sein, reden, erklären, dabei die filterlosen Zigaretten im Metallaschenbecher glimmen lassen, bis mal wieder ein Schwelbrand unter all den alten Kippen ausbrach.
Wie der Aschenbecherschwelbrand gehört der emotionale Schwelbrand zu Klaus Behnken. Unter all den ­alten Konflikten entfacht sich einer an einem neuen, und dann noch einer und irgendwann kokelt die ganze Chose vor sich hin und ein Ausbruch folgt, der auch nach dem Schocklüften noch seine Folgen zeitigt. Die schelmische Freude ist nun anderswo und die Freundlichkeit auch.
Ein Dossier zum »Deutschen Herbst« auf vier Seiten – allein mit Fotos herbstlicher Bäume. Kann man sich da, um zu Diederichsens eingangs erwähntem Text zurückzukehren, »noch links nennen«? Ja, und wie. Klaus Behnken hat in der Anfangszeit der Jungle World Pop, Kultur, Lebensstile, Trash, Ironie und Sarkasmus ins Zentrum linker Debatten gerückt und sie dem politischen Argument, der radikalen Kritik gleichgestellt. Zu erkennen ist darin auch die Freundlichkeit, unfrucht­bare und verbitterte Diskussionen mit Satire zu umgehen – denn was genau hätte sich 30 Jahre nach dem »Deutschen Herbst« noch zur RAF sagen lassen, was nicht schon tausendmal gesagt worden war?
What’s left? Klaus Behnken ist tot. Ein Nachklang seines Lachens über die Welt, ihre Widersprüche und den nicht immer freundlichen linken Blick darauf aber bleibt.