Nachhaltiges Glück

Zu den lästigen Nebenwirkungen der kapitalistischen Konkurrenz gehört, dass kein Unternehmer noch sagen mag: »Ich will einen möglichst hohen Profit erzielen, alles andere ist mir egal.« Man kann sich gar nicht mehr retten vor lauter Nachhaltigkeit und corporate citizenship, so dass man ein schlechtes Gewissen hat, wenn man das Angebotene nicht erwirbt, da man es so sträflich versäumt, einen Beitrag zu einer besseren Welt zu leisten, statt sich selbst, die Firma und die Menschheit glücklicher zu machen. Die Deutsche Post DHL Group begnügt sich nicht damit, »mit unserem Programm ›Living Responsibility‹ einen Beitrag zu einer besseren Welt leisten« zu wollen, sondern widmet sich auch der Frage, wie gut die Welt bereits geworden ist, und veröffentlichte in der vergangenen Woche den »Glücksatlas 2016«. Das hat auch den Vorteil, dass der Firmenname nun in den Medien kostenlos und ohne Bezug auf Fragen wie »Wo zur Hölle ist mein Paket geblieben?« genannt wird. Schließlich ist kleinliche Nörgelei dem Glück nicht zuträglich. Nigeria wurde 2011 bei einer Gallup-Umfrage als weltweit glücklichstes Land identifiziert, trotz Armut, Gewalt, DHL-Paketzustellung und Korruption. Geht also, man muss nur wollen.
Von schlechtem Wetter darf man sich auch nicht beeindrucken lassen. Schleswig-Holstein, nicht nur meerumschlungen, sondern auch regendurchnässt, ist das glücklichste Bundesland Deutschlands, und die ebenfalls nicht sonnenverwöhnten Dänen sind sogar die glücklichsten Menschen Europas. In Ostdeutschland hat es das Glück hingegen schwer, offenbar nicht zuletzt wegen des Entsetzens angesichts der gefühlten Invasion von Menschen, die weitaus mehr Anlass hätten, unglücklich zu sein. Manche Leute sind also wirklich selbst schuld, vielleicht granteln sie auch aus Prinzip. Andere aber, so darf vermutet werden, stellen zu geringe Ansprüche an das Glück oder fühlen sich verpflichtet, glücklich zu sein. Schließlich darf man als Lohnabhängiger nicht mehr sagen: »Ich arbeite, weil ich das Geld brauche.« Vielmehr muss es heißen: »Aber nein, macht doch nichts, dass es schon nach Mitternacht ist. Ich bin glücklich, einen Beitrag zur Verbesserung unseres Projekts zu leisten.« Wieder andere sind unglücklich, weil die Deutschen nicht glücklich genug sind, obwohl »die Wirtschaft brummt« und es mehr Arbeitsplätze gibt. »Herrje, warum freuen wir uns nicht einfach mal?« nörgelt Marc Beise in der Süddeutschen Zeitung. Aber wenn die Deutschen so richtig rundum glücklich wären, warum sollten sie sich dann noch anstrengen? Man soll zwar im Kapitalismus glücklich sein, weil man einen Job hat und das Vaterland in der globalen Ökonomie gut dasteht, aber nicht so glücklich, dass man sich damit zufrieden gibt. Das Glück ist schließlich nicht einfach so zum Glücklichsein da, es ist eine Herausforderung. Wenn Sie also nächstes Mal dem Verbleib Ihres Pakets nachspüren, denken Sie daran, dass die Deutsche Post DHL Group nach Höherem strebt und schätzen Sie sich glücklich, als deren ehrenamtlicher corporate ­citizen einen Beitrag zu einer besseren Welt leisten zu dürfen.