Reaktionen auf einen Aufruf zum Israel-Boykott in der GEW Oldenburg

Demagogisch und hasserfüllt

Ein Aufruf zum Boykott Israels, der in der Zeitschrift des Oldenburger Kreisverbands der Bildungsgewerkschaft GEW abgedruckt wurde, sorgt seit Wochen für eine Diskussion weit über die niedersächsische Stadt hinaus. Bundes- und Landesverband der GEW sind auf Distanz zum örtlichen GEW-Vorstand gegangen. Auch Bundespolitiker äußern deutliche Kritik.

Normalerweise ruft die Mitgliederzeitschrift, die der Oldenburger Kreisverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) herausgibt, kein überregionales Echo hervor. Bei der Ausgabe, die Ende August erschien, war das anders. Denn darin fand sich ein Text des Gewerkschaftsmitglieds Christoph Glanz, in dem der Staat Israel ­unter anderem »ethnischer Säuberungen« und anderer schwerster Menschenrechtsverletzungen zum Nachteil der Palästinenser bezichtigt wurde. Zudem hatte Glanz, ein engagiertes Mitglied der antiisraelischen Bewegung für Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS), in seinem Artikel behauptet, schon palästinensische Kinder seien »Isolierhaft, brutalen Ver­hören und Schlägen« durch die israelische Armee ausgesetzt, und für einen umfassenden Boykott Israels, für einen Kapitalabzug und für Sanktionen geworben.
Nach zahlreichen Protesten – auch aus den eigenen Reihen – und einer ­Intervention des Landesvorsitzenden der GEW in Niedersachsen zog der GEW-Kreisvorstand schließlich die Ausgabe zurück und beteuerte in einer ­Erklärung, man lehne »einen Boykott Israels und antisemitische Positionen ab«. Mit der Veröffentlichung des Textes von Glanz habe man »einen großen Fehler gemacht«, die BDS-Kampagne sei »uns schlichtweg nicht als problematisch geläufig« gewesen. Das sei »unserer Unkenntnis geschuldet«. Auch die niedersächsische Landesschulbehörde wurde auf die Sache aufmerksam: Sie kündigte an, zu prüfen, ob der als Gesamtschullehrer tätige Glanz mit seinem politischen Engagement gegen geltende Vorschriften verstoßen habe.
Damit war die Angelegenheit jedoch noch lange nicht beendet. Die Oldenburger GEW, in der es heftige Flügelkämpfe zwischen israelfeindlichen und antisemitismuskritischen Mitgliedern gibt, hat ihre Distanzierung mittlerweile wieder von ihrer Website entfernt und beklagt stattdessen nun »schwere Anfeindungen« gegen Glanz und die Gewerkschaft. Der Vorsitzende des Kreisverbands, Heinz Bührmann, sagt zwar, seine Gewerkschaftsgliederung lehne einen Israel-Boykott weiterhin ab. Zugleich aber haben er und seine Vorstandskollegen in einem Schreiben an die Leitung und den Personalrat der Schule, an der Glanz lehrt, den antiisraelischen Schreiber unterstützt – ganz bewusst, wie sie selbst sagen.
Das wiederum sorgt innerhalb der GEW für reichlich Unmut. Neun Oldenburger Gewerkschaftsmitglieder machten in einer gemeinsamen Erklärung deutlich: »Der Gewerkschaftsvorstand spricht nicht in unserem Namen.« Die BDS-Kampagne gegen Israel sei demagogisch und hasserfüllt, eine Werbung für sie habe »nichts in einer Gewerkschaftszeitung zu suchen«. Glanz sei zudem bereits in der Vergangenheit mehrfach durch ähnliche Aktivitäten aufgefallen. Dass die Mitgliederzeitschrift zurückgezogen wurde, sei gleichwohl »lediglich auf äußeren Druck erfolgt, nicht aus innerer Einsicht der örtlichen GEW-Nomenklatura«, was ein Armutszeugnis darstelle. »Wir sind der Auffassung, dass der amtierende Kreisvorstand der GEW Schaden zufügt«, heißt es in der Erklärung weiter. Man habe sich »niemals vorstellen können, dass unsere Gewerkschaft sich in einen solchen Kampagnensumpf hineinziehen lässt«.
Auch der Bundes- und der niedersächsische Landesverband der Bildungsgewerkschaft schalteten sich ein und gaben eine gemeinsame Stellungnahme ab, die für den Oldenburger Kreisverband eine schallende Ohrfeige darstellt: »Die GEW lehnt einen Boykott Israels und antisemitische Positionen strikt ab. Die GEW distanziert sich vom inkonsistenten Vorgehen von Teilen des Kreisvorstandes der GEW Oldenburg-Stadt.« Die Bundesvorsitzende der GEW, Marlis Tepe, bedauerte zudem in einem Brief an den Vorsitzenden der israelischen Lehrergewerkschaft, Yossi Wassermann, die Unterstützung der israelfeindlichen Boykottkampagne durch Teile des Oldenburger GEW-Vorstands. »Ich möchte mich für Irritationen und Verunsicherungen entschuldigen, die dieser Vorfall hervorgerufen hat«, schrieb sie. Als Bundesvorsitzende betonte sie, »dass unsere Gewerkschaft keinerlei BDS oder antiisraelische Initiativen unterstützt«.
Längst reichen die Diskussionen und Stellungnahmen zu Glanz’ Werbung für BDS über Oldenburg hinaus. Bundespolitiker verschiedener Parteien – beispielsweise Michaela Engelmeier (SPD), Volker Beck (Grüne) und Barbara Woltmann (CDU) – haben sich anlässlich der Debatte über Glanz und die GEW deutlich gegen die BDS-Bewegung ausgesprochen und deren antisemitischen Charakter hervorgehoben. Auch in Israel gab es Reaktionen auf die Angelegenheit. Die israelische Botschaft in Deutschland etwa schrieb: »Der Auftrag eines Lehrers ist es, Schüler zu unterrichten, und nicht, sie aufzuhetzen oder offen mit Gewalt zu sympathisieren.« Glanz habe sich der BDS-Bewegung verschrieben, die das Existenzrecht des Staates Israel nicht anerkenne. Dieser Antisemitismus dürfe »im 21. Jahrhundert keinen Platz haben, besonders nicht in Deutschland«.
An Brisanz gewinnt die Auseinandersetzung dadurch, weil vor Gericht ein Streit zwischen Glanz und der Oldenburger SPD-Stadträtin Sara Rihl anhängig ist, die ihn einen »bekannten Antisemiten« genannt hatte. Glanz, der vom Vorsitzenden der Linkspartei im Stadtrat, Hans-Henning Adler, anwaltlich verteidigt und auch politisch unterstützt wird, klagte dagegen auf Unterlassung und bekam vor dem Landgericht Oldenburg vorläufig recht, wobei Rihl der Verhandlung krankheitsbedingt nicht beiwohnen konnte. Daher wurde ein Versäumnisurteil erlassen. Anschließend strengte das Landgericht eine gütliche Einigung an, doch auf Rihls Vergleichsvorschlag wollte sich Glanz nicht einlassen. Das Angebot besagte, Glanz solle der Antisemitismusdefinition der Arbeitsgruppe gegen Antisemitismus im Europäischen Parlament – die auch die Feindschaft zu Israel einschließt – zustimmen und sich zugleich vom so definierten Antisemitismus distanzieren; im Gegenzug wollte Rihl sich verpflichten, Glanz nicht mehr als Antisemiten zu bezeichnen. Nun hat die Stadträtin beim Oberlandesgericht Hannover beantragt, das Hauptsacheverfahren einzuleiten. Dessen Ausgang ist noch offen.