Die Polizei geht gegen Sympathisanten eines Hausprojekts in Berlin vor

Handschellen vorm Frühstück

In Berlin durchsuchte die Polizei in der vergangenen Woche mehrere Wohnungen und Geschäftsräume. Die Maßnahme galt Sympathisanten des Hausprojekts Rigaer 94.

Etwa vier Monate nach der rechtswidrigen Teilräumung des Hausprojekts Rigaer 94 in Berlin-Friedrichshain ging die Berliner Polizei am Mittwoch vergangener Woche gegen Unterstützer des Projekts vor. In Berlin und Leipzig durchsuchten Einsatzkräfte in den Morgenstunden insgesamt 14 Wohn- und Geschäftsräume. Anlass der Durchsuchungen war eine Fahrraddemonstration für die Rigaer 94 Anfang Juli in Berlin, bei der nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft wegen zerstörter Scheiben und beschmierter Fassaden Sachschäden in Höhe von etwa 10 000 Euro verursacht wurden. Die Beamten suchten vorrangig nach Flugblättern und Speichermedien, um Vorwürfe gegen einzelne an der Demonstration Beteiligte zu erhärten. Dabei ging die Polizei rabiat vor: In den betroffenen Häusern in Berlin brachen die Einsatzkräfte gegen sieben Uhr morgens Eingangstüren auf, um sich Zutritt zu verschaffen.
Der weitere Verlauf in den Gebäuden gestaltete sich unterschiedlich. In der Kreutziger Straße in Berlin-Friedrichshain gelang es, rechtzeitig eine Anwältin herbeizurufen, woraufhin nur die im Durchsuchungsbefehl genannten Räume in deren Anwesenheit durchsucht wurden. Auch der Einsatz in der Reichenberger Straße in Berlin-Kreuzberg beschränkte sich auf die im Durchsuchungsbefehl genannte Wohnung. In der Braunschweiger Straße in Berlin-Neukölln dagegen betraten die Polizisten unmittelbar nach dem Aufbrechen einer Werkstatttür auch Räumlichkeiten, die offensichtlich nicht im Durchsuchungsbefehl genannt waren. Mindestens einer Person wurden noch im Bett Handschellen angelegt, andere Bewohner wurden aufgeschreckt. Erst nach Eingreifen des Ermittlungsleiters konzentrierte sich die Durchsuchung auf die eigentlichen Räume. Bewohnerinnen des Hauses erlebten den Einsatz als versuchte Einschüchterung und Machtdemonstration. So führten die Beamten nach Angaben einer Augenzeugin eine Person dunklerer Hautfarbe zunächst mit der Begründung ab, auf sie passe eine Personenbeschreibung, während der Durchsuchungsbefehl von vornherein einer sichtbar hellhäutigeren Person galt. Auch machten sich die Beamten während der etwa einstündigen Durchsuchung detaillierte Lagepläne vom Haus und Notizen zu dessen Bewohnerinnen.
Insgesamt kann der koordinierte Einsatz der vergangenen Woche als weiterer Beleg für das entschlossene Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft gegen die Berliner Häuserszene gelten. Der im Verhältnis zu anderen Straftaten überschaubare Sachschaden im Laufe der Fahrraddemonstration diente offensichtlich als Vorwand, um hart gegen die aus der Perspektive der Behörden »linksextremistische Unterstützerszene« vorzugehen. »Es ist ein Skandal, dass wegen lächerlicher und konstruierter Vorwürfe so ein massives Polizeiaufgebot aufgefahren wird«, so Alexandra Schneider, Sprecherin der Roten Hilfe Berlin.
Eine ähnliche Unverhältnismäßigkeit lässt sich auch im laufenden Prozess gegen zwei Anfang Juni bei einer Demonstration für die Rigaer 94 festgenommene Männer erkennen. Ihnen werden schwerer Landfriedensbruch sowie gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Während der eine Mitte Oktober nach etwa drei Monaten gegen Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, ist der andere noch in Haft. Als Begründung führen die Staatsanwaltschaft und das Landgericht seine vermeintlich unklaren Wohnverhältnisse an, obwohl dem Gericht ein Mietvertrag vorliegt und die Freilassung gegen Kaution ohnehin mit Meldeauflagen verbunden ist.
Die Behauptung des Landgerichts, die Kautionssumme werde durch linksradikale Spendengelder finanziert und es bestehe erhebliche Fluchtgefahr, deutet darauf hin, dass der Prozess im weiteren Sinne auch der linken Szene generell gilt. Es ist anzunehmen, dass die Repressalien gegen das erweiterte Umfeld der Rigaer 94 auch nach dem Ende der Amtszeit von des Innensenator Frank Henkel (CDU) nicht enden werden.