Keine Berührungsängste. Der Front National und die Geldgeber aus der Golfregion

Petrodollars für Le Pen

Der französische Front National zeigt bei der Aufbesserung der Parteikasse keine Berührungsängste zu Geldgebern aus der Golfregion. Zugleich setzt ihn Konkurrenz von rechts unter Druck.

Schon die alten Römer wussten: Pecunia non olet. Geld stinkt nicht, hatten die historischen Erfinder der Latrinensteuer vor zwei Jahrtausenden postuliert. Dass man finanzielle Zuwendungen lieber nicht ablehnt, gilt auch für die französischen Neofaschisten vom Front National (FN). »Wir werden nach Finanzierungsquellen suchen, ob in Russland, Argentinien, in den USA oder eben auch im Mittleren Osten«, sagte Wallerand de Saint-Just, der Schatzmeister der Partei, vergangene Woche der Tageszeitung Le Figaro. Indirekt bestätigte er damit Meldungen, die zuerst die Online-Zeitung Mediapart veröffentlicht hatte. Demnach plant die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die französische Partei finanziell zu unterstützen. Mediapart berichtete auch, dass eine Reise der FN-Vorsitzenden Marine Le Pen nach Kairo im Frühjahr vorigen Jahres durch die VAE politisch eingefädelt und kofinanziert worden sei.
Während ihres Besuchs in der ägyptischen Hauptstadt erklärte Le Pen ihre Unterstützung für das repressive Regime des ehemaligen Generals und derzeitigen Präsidenten Abd al-Fattah al-Sisi. Dieser Auftritt steht nicht im Widerspruch zur Politik einer Partei, deren Geschäftsgrundlage in erster Linie die einwanderungsfeindliche Agitation ist und die sich nun ganz besonders auf die Dämonisierung von Muslimen eingeschworen hat – jedenfalls jener, die auf europäischem Boden leben. Er ist vielmehr Ausdruck einer bestimmten Strategie. Denn die Feindseligkeit des FN gegenüber Muslimen wird in jüngster Zeit gerne politisch mit einer vorgeblichen Abwehr einer islamistischen Bedrohung erklärt. Da das Regime von al-Sisi äußerst repressiv gegen die Muslimbrüder vorgeht – im vergangenen Jahr ver­zeich­nete Amnesty International über 550 »Verschwundene« in Ägypten –, bezieht sich Le Pen positiv auf al-Sisis harte Methoden. Das schärft nicht zuletzt auch ihr internationales Profil. Bislang hatte Le Pen als einziges ausländisches Vorbild Russlands Präsident Wladimir Putin angeführt – sowohl aufgrund seines Umgangs mit Tschetschenien als auch wegen seines Konfrontationskurses gegenüber den USA.
Die VAE, die zwar für ein ähnliches Gesellschaftsmodell stehen wie die Nachbarländer Katar und Saudi-Arabien, zu ihnen aber in Konkurrenz stehen, versuchen sich ihrerseits als Teil eines Bollwerks gegen den jihadistischen Islamismus zu profilieren. Während Katar mit der internationalen Bewegung der Muslimbrüder liiert ist und Saudi-Arabien mit vielen Unterströmungen der Salafisten, verfügen die VAE nicht über vergleichbare verbündete globale oder regionale politische Bewegungen. In den vergangenen drei Jahren traten sie vor allem als Geldgeber des ägyptischen Regimes nach dem putschähnlichen Machtwechsel von 2013 in Erscheinung. Bis vor kurzem finanzierte auch Saudi-Arabien das ägyptische Regime, da das herrschende wahhabitische Königshaus die Muslimbrüder als Konkurrenz betrachtet.
Die internationale Suche des FN nach Kontakten und Geldgebern er­klärt sich aber auch aus der schlechten finanziellen Lage der Partei. Französische Großbanken weigern sich standhaft, Le Pens Partei größere Geldsummen für den Präsidentschaftswahlkampf 2017 vorzustrecken. Darüber beklagt sich die Parteiführung bitterlich und verheimlicht vor diesem Hintergrund auch ihre internationale Geldsuche nicht.
Doch deren Intensität dürfte wiederum bei einem Teil der Wählerschaft und Parteibasis schlecht ankommen. Sie erwarten, dass die nationale Autarkiepolitik, um die sich die Parteiführung rhetorisch bemüht, auch für das Finanzwesen der Partei gelten muss. Deswegen ist für Le Pen Vorsicht geboten, zumal der FN derzeit von heftigen Konflikten erschüttert wird. Der Streit um Plätze in den Beraterstäben der Kandidatin Le Pen ist voll entbrannt. Hinzu kommen beginnende Querelen um Listenplätze für die im Juni kommenden Jahres stattfindenden Parlamentswahlen.
Es gibt noch einen weiteren Grund für den FN, vorsichtig zu sein, denn die Partei hat Konkurrenz bekommen, die sich rechts von ihr zu profilieren sucht. Diese nimmt weniger Rücksicht auf Befindlichkeiten der öffentlichen Meinung als der FN, der auch für gemäßigte Rechte wählbar sein will. Zu den Organisationen rechts des FN zählen die katholisch-fundamentalistische Vereinigung »Civitas« und die sich eher säkular, jung und dynamisch gebende »Identitäre Bewegung«. Erstere verzeichnete zuletzt einige symbolträchtige Eintritte, etwa den von Marie d’Herbais. Es handelt sich um eine frühere FN-Funktionärin, die dadurch bekannt wurde, dass sie, nachdem der Parteigründer Jean-Marie Le Pen wegen geschichtsrevisionistischer Äußerungen im August 2015 aus der Partei augeschlossen worden war, dessen Internetshow »Le journal du bord de JMLP« betreute – JMLP steht dabei für Jean-Marie Le Pen. Auch der 26jährige Alexandre Gabriac, ehemals Leiter der im Frühsommer 2013 verbotenen gewalttätigen Jugendorganisation »Jeunesses nationalistes« (Nationalistische Jugend), erklärte seinen Beitritt. Er war im Frühjahr 2011 vorübergehend aus dem FN ausgeschlossen worden, nachdem während des damaligen Bezirks­wahlkampfs Facebook-Fotos von ihm publik geworden waren, auf den er den Hitlergruß zeigte.
Die »Identitären« haben ein neues Betätigungsfeld gefunden, das an das Attentat von Nizza vom 14. Juli anknüpft. In der Küstenstadt, die von 1995 bis 2008 von einem ehemaligen Gründungsmitglied des FN, Jacques Peyrat, als Bürgermeister regiert wurde und in der viele frühere französische Algeriensiedler wohnen, dominierte schon vor dem jihadistischen Massaker die politische Rechte. Rechtsextreme begannen dann damit, die Trauerarbeit zu instrumentalisieren und die Tätigkeit von Vereinigungen zu unterwandern, die für die Entschädigung und Betreuung von Verletzten oder Hinterbliebenen arbeiten. Dadurch sollte die Erinnerung an das Massaker mit 86 Toten und über 400 zum Teil schwer Verletzten politisch vereinnahmt werden. Inzwischen gibt es mehrere Vereinigungen, die dem eigenen Anspruch zufolge die Opfer terroristischer Gewalt vertreten. »Promenade des Anglais« ist benannt nach dem Attentatsort des Nizza-Anschlags. Die Vereinigung »Montjoye« geht hingegen auf die achtziger Jahre zurück. Außerdem gibt es die »Französische Vereinigung der Terrorismusopfer« (AFVT). Am 11. Oktober hat sich eine weitere Vereinigung gegründet: die »Vereinigung zur Unterstützung der Opfer von Terrorakten« (ASVAT). Sie bezeichnet sich als »parteipolitisch unabhängig« und »patriotisch«.
Schnell wurde jedoch bekannt, dass die extreme Rechte in Gestalt der »Identitären« hinter dieser neu gegründeten Vereinigung steckt. Der Vereinigung steht Liane d’Argelier vor, die jedoch mit richtigem Namen Maryline Canovas d’Argelier heißt. Im Jahr 2013 war sie an der rechten Initiative »Islamisierung basta« beteiligt, die damals gegen einen geplanten Moscheebau in Nizza protestierte. Das berichtete un­ter anderem die Tageszeitung Libération. Diese Enthüllungen könnten es den »Identitären« in Zukunft erschweren, die Vereinigungen der Attentatsopfer zu unterwandern.