Ein Porträt des ehemaligen österreichischen Eishockeyspielers Michael Puschacher

Der Eishockey-Goalie und Auschwitz

Der ehemalige österreichische Eishockeystar Michael Puschacher engagiert sich gegen Nazis, Populismus und Hass. In Klagenfurt traf er sich mit Bernhard Torsch

Eishockey ist in Österreich eine große Sache, in einigen Regionen eine deutlich größere als Fußball. Bevor der Klimawandel mit nach Norden wandernden Skorpionen, Giftspinnen und mediterranen Temperaturen zu nerven begann, wurde im Winter aus jedem See, jedem Teich und jedem Dorffußballplatz eine Eisfläche, auf der die Leute Schlittschuh liefen, Eisdisko tanzten und, sofern sie jung und männlich waren, Hockey spielten. Man brauchte dazu Schlittschuhe und einen Hockeyschläger; Schutzpolsterungen oder Eierbecher galten als unnötiger Luxus für verwöhnte Bengel. Die Gipsfabrikanten, Unfallchirurgen und Zahntechniker lebten davon fast so gut wie vom Skisport. Vor allem aber fieberte man mit seiner Mannschaft mit und trug stolz Schals in deren Farben. Die größten Stars mit den meisten Fans waren die Spieler der Mannschaften Klagenfurter Athletiksport-Club (KAC) und Eishockeyclub Villacher Sportverein (VSV). Michael Puschacher stand von 1986 bis zum Jahr 2000 im Tor des KAC und der Nationalmannschaft und ist somit Veteran des goldenen Zeitalters des österreichischen Eishockeys.
Am 24. Oktober machte Puschacher mit einem persönlichen und sehr wütenden Facebook-Posting Schlagzeilen, und das, obwohl er sein Privatleben normalerweise aus der Öffentlichkeit heraushält. An diesem Tag hatte jedoch seine aus Brasilien stammende Ehefrau nach Meinung einer Klagenfurterin falsch geparkt – und wurde von ihr angebrüllt: »Geh dorthin zurück, wo du hergekommen bist, ausländische Schlampe!« »Die Dummheit, die Verrohung, die Hetze – bravo an alle, die sie schüren und daran teilnehmen«, schrieb der ehemalige Eishockeyprofi sarkastisch, »verbreitet mehr Hass-Postings, gießt mehr Öl ins Feuer, bis es richtig brennt.« Puschacher legte den Angesprochenen nahe: »Gehorcht Eurem Führer!« Und fügte hinzu: »Lest nur seine Beiträge, aber bitte keine Bücher – er ist der Messias. Es lebe die Ignoranz, das Pauschal- und das Vorurteil, die Dummheit und der Hass!«
Beim Treffen mit Puschacher in einem Klagenfurter Kaffeehaus ist er immer noch aufgebracht über den Vorfall. Seine Frau sei zum Glück sehr selbstbewusst und habe die Sache schnell weggesteckt, sagt der immer noch athletisch wirkende 49jährige, aber ihn beschäftige das doch sehr. »20 Jahre lang gab es keinen einzigen Vorfall, aber seit ein paar Monaten ist die Stimmung im Land gekippt. Ich sollte vielleicht dazusagen, dass meine Frau auf den ersten Blick nicht ins rassistische Beuteschema passt, da sie sehr hellhäutig ist. Aber schon ihr leichter Akzent reichte aus, um sie wüst zu beschimpfen.« Puschacher glaubt nicht, dass das ein Zufall war: »Es passt leider zur Radikalisierung der Rechten im Land, die seit diesem verlängerten Präsidentschaftswahlkampf deutlich schlimmer geworden ist.« Schon als Kind habe er Rassismus und Vorurteile gehasst, weswegen er gerade jetzt nicht schweigen wolle. »Wir erleben, wie dieser Mist, den ich für überwunden gehalten habe, wieder in großem Stil zurückkommt.«
Auf die Frage, ob es ein Ereignis gegeben habe, das ihn politisierte, kommt zunächst nur ein Wort: »Auschwitz.« 1997 war Puschacher mit der österreichischen Nationalmannschaft bei der Hockey-WM in Polen, das Team besuchte auch das ehemalige Vernichtungslager. »Sportler sind keine Sensibelchen. Normalerweise geht es in einem Bus voller Eishockeyprofis nicht gerade zimperlich zu und man reißt über alles mögliche mehr oder weniger gute Witze«, erinnert er sich. »Aber auf der Rückfahrt von Auschwitz war es eine Stunde lang mucksmäuschenstill im Bus, da waren selbst die größten Witzbolde leise. Mich hat das in meiner Haltung bestärkt, nicht zu schweigen, wenn wieder gegen Minderheiten gehetzt wird, wenn eine Ideologie, die verdientermaßen auf dem Misthaufen der Geschichte gelandet ist, wieder salonfähig zu werden scheint.«
Als Puschacher auf Facebook über den rassistischen Angriff auf seine Frau schrieb, tat er das sehr bewusst. Man müsse den Mund aufmachen, sagt er, gerade auch als Prominenter. »Wer soll es denn sonst machen? Es ist doch ganz normal, sich zu Entwicklungen, die man für bedenklich hält, zu Wort zu melden.« Und das tut Puschacher auf Facebook nicht nur dann, wenn er persönlich betroffen ist: »Ich hatte eine tolle Zeit als Sportler und danach eine gute Karriere in der Wirtschaft, mir geht es gut. Ich will aber, dass es möglichst vielen gut geht. Deswegen bin ich gegen rechts. Deswegen bin ich auch ein großer Befürworter des Sozialstaats.« Vielen Leuten sei nicht klar, wie schnell sie selbst ins Visier der extremen Rechten geraten könnten, sie sagten daher nichts oder förderten sogar eine Politik, die die sozialen Gegensätze zuspitze. »Aber schon aus gesundem Eigennutz muss man da doch dagegen sein. So wie man schneller auf den Sozialstaat angewiesen sein kann, als man vielleicht meint, kann man auch sehr rasch zur Zielscheibe rechter Hasspolitik werden.« Puschacher war von 1986 bis zum Jahr 2000 Tormann des KAC. Das war auch die Zeit, in der Jörg Haider politisch groß wurde. Der Goalie mischte sich damals nicht in die Tagespolitik ein, aber er merkte sich einen Satz, den ein Teamkollege in der Kabine fallen ließ: »Eine Partei, in der nur einer bestimmt, wo es langgeht, ist nicht demokratisch.« Die FPÖ unter Heinz-Christian Strache sei aber um einiges schlimmer als die damalige Haider-FPÖ, in der es immerhin noch liberale Restelemente gegeben habe, sagt er rückblickend.
Und wen wird er bei der im Dezember anstehenden Bundespräsidentschaftswahl wählen? Puschacher nimmt einen Schluck aus der Kaffeetasse, lacht kurz und sagt: »Ich wähle Alexander Van der Bellen. Ich habe in meinem Leben schon fast jede Partei gewählt, aber noch nie die FPÖ. Und das wird sich auch nicht mehr ändern.« Es gehe ihm »nicht alleine um moralische Fragen, sondern auch um ganz handfeste Sachen«. Wenn der Nationalismus die EU zerstöre, wäre das auch eine wirtschaftspolitische Katastrophe. »Viele EU-Gegner und Globalisierungskritikerinnen wissen ja gar nicht, wie sehr unsere Wirtschaft international vernetzt ist und wie ­viele Arbeitsplätze vom Freihandel abhängen. Zum Beispiel der »Öxit«, von dem die FPÖ immer wieder faselt – Österreich hat in etwa so viele Einwohner und ungefähr dieselbe Wirtschaftsleistung wie eine mittelgroße chinesische Stadt. Sich in einer Welt, in der wir es längst mit einer globalen Konkurrenz zu tun haben, auf einen kleinen Nationalstaat, vielleicht auch noch mit eigener Währung, zurückzuziehen, würde uns komplett von den Launen der wirtschaftlichen Großmächte abhängig machen.« Nach seiner Zeit beim Eishockey studierte Puschacher und machte in der Wirtschaft Karriere. Derzeit ist er Manager beim österreichischen Sportartikelhersteller Fischer. In dieser Funktion war er auch in der Ukraine, als dort gerade der Maidan-Umsturz begann. Interessant habe er es gefunden, wie erfolgreich vor allem in den ersten Wochen die russische Propaganda im Westen gewesen sei: »Der Kreml machte aus liberalen Demokraten, die sich am Westen orientieren wollten, böse Faschisten und viele fielen darauf herein. Natürlich gab es am Maidan Faschos, die sich groß aufspielten, aber das war eine Zwergfraktion.«