Der umstrittene philippinische Präsident Rodrigo Duterte ist bei vielen beliebt

Beliebt und brutal

Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte ist seit fast vier Monaten im Amt. Trotz zahlreicher Menschenrechtsverletzungen steht der Großteil der Bevölkerung, Rechte wie Linke, hinter ihm.

Während die ganze Welt über den Wahlsieg Donald Trumps berichtet, regiert auf der anderen Seite der Welt bereits ein anderer sehr umstrittener Politiker: Rodrigo Duterte, der Präsident der Philippinen. Ähnlich wie im Fall Trumps stürzt sich die Berichterstattung in einer Mischung aus Faszination und Ablehnung auf seine Eskapaden, etwa seine Vorwürfe gegen den Westen und seinen mörderischen »Krieg gegen die Drogen«. Was diese Berichterstattung aber übergeht, ist seine sonstige Politik. Das Meinungsforschungsinstitut Pulse Asia stellte im Juli 2016 fest, dass 91 Prozent der Bevölkerung Duterte vertrauen. Wie schafft er es, auf den Philippinen offenbar unangefochten zu regieren?
Der von Duterte ausgerufene »Krieg gegen die Drogen« kam wenig überraschend, da der Politiker 20 Jahre lang als Bürgermeister von Davao mit harter Hand gegen tatsächliche und vermeintliche Drogenkonsumenten vorging. In seinem Krieg sind derzeit etwa zehn Todesopfer am Tag zu verzeichnen – also mehrere Tausend seit seinem Amtsantritt am 30. Juni (Jungle World 36/16). Hauptsächlich sind es Arme, die bei straffreien Ermordungen und Standgerichten getötet werden. Führende Politiker und Unternehmer des Landes unterstützen Duterte, ebenso wie die urbane Mittelschicht, die die alltägliche Kriminalität eher zu spüren bekommt als die Reichen in ihren bewachten Wohnanlagen und Privatschulen.
Außer mit Parolen zur Kriminalitätsbekämpfung ist Duterte bereits im Wahlkampf durch seine dezidiert antiamerikanische Rhetorik aufgefallen. In der ehemaligen US-Kolonie hatte sich vor ihm kein Präsident je kritisch über die USA geäußert. Duterte nannte Barack Obama einen »Hurensohn«, der »zur Hölle fahren« solle, und über den 65 Jahre alten Verteidigungspakt mit den USA sagte er: »Vergesst es. Ich will kein Militär außer philippinischen Soldaten mehr sehen.« Die Lösung von den USA soll angeblich eine unabhängige Außenpolitik ermöglichen, doch scheint eher eine Orientierung an einer anderen Großmacht zu erfolgen: Die Philippinen erwarten Infrastrukturinvestitionen in Millionenhöhe von China. Damit gewinnt Duterte vor allem Sympathie in der politischen Rechten sowie der Mittel- und Oberschicht.
Er schafft es in dem von Armut, Korruption und Gewalt geprägten Land aber auch, die Linke und die Unterschicht anzusprechen. Die Regierung kämpfte bislang gegen islamistische und kommunistische Rebellen, von diesen Auseinandersetzungen ist besonders die arme Landbevölkerung betroffen. Duterte versucht, beide Konflikte zu befrieden. Mit der seit Jahrzehnten operierenden islamistischen Gruppe MILF werden Gespräche geführt, ebenso gibt es Waffenstillstandsverhandlungen mit der New People’s Army, dem bewaffneten Arm der maoistischen CPP. Darüber hinaus ist die Freilassung der politischen Gefangenen als vertrauensbildende Maßnahme geplant. Duterte hat zudem der CPP nahestehende Politikerinnen und Politiker in sein Kabinett berufen: Judy Taguiwalo wurde Ministerin für soziale Arbeit und Entwicklung; der Vorsitzende der radikalen Bauernorganisation KMP, Rafael Mariano, Minister für Agrarreform.
Auch mit seiner Energiepolitik versucht Duterte, die Landbevölkerung zu gewinnen. Bereits unter der Präsidentschaft von Fidel Ramos (1992-98) war der Kohle- und Bergbau umstritten. Dass Duterte eine dezidierte Gegnerin ökologisch bedenklicher Bergbauprojekte zur Umweltministerin ernannt und im Wahlkampf eine Landreform angekündigt hat, ermöglicht es Umwelt- und Naturschutzgruppen, Gehör zu finden. In der derzeitigen Debatte über Zeitarbeit stellt sich Duterte deutlich auf die Seite der Arbeiterinnen und Arbeiter. Er wolle ihre Rechte verteidigen und lehne befristete Arbeitsverhältnisse und Zeitarbeit ab, so der Politiker. Anders als seine Vorgänger achtet er kaum auf Prunk und Etikette und nutzt die Sprache der einfachen Bevölkerung. Duterte sei zwar vulgär, aber ehrlich und hart arbeitend, so die gängige Meinung auf den Philippinen.
Die Integration der Mehrheit wird allerdings mit Menschenleben und -rechten bezahlt. Debatten über die Wiedereinführung der Todesstrafe und die Herabsetzung der Strafmündigkeit von 15 auf neun Jahre zeugen davon, dass die politischen Verbesserungen nur Mittel zum Zweck sind: Die Regierung kauft sich ihre Macht mit Sicherheit und Wohltaten. Diese Macht ist uneingeschränkt und beinhaltet die Lizenz zum Mord: Der Staat soll diejenigen töten dürfen, die ihm als gefährlich gelten. Die Opfer sind meist zu arm, um sich zu wehren, der Rest nimmt das Zuckerbrot an und akzeptiert die Peitsche – sie trifft ja meist die anderen. Duterte muss kaum mit Widerstand der Legislative rechnen. Kritik kommt von Menschenrechtsorganisationen, dem linksnationalistischen Makabayan-Block und der Zivilgesellschaft. Diese ist allerdings äußerst zersplittert.