Über Sex reden für besseren Sex

Aufklärung macht geil

Früh lernen Kinder, über Bauklötze, Stofftiere und Pommes zu reden. Über Sexualität zu sprechen, lernen manche Menschen leider ihr ganzes Leben nicht.

»Na, brauchste immer noch ’ne Pause?« haucht mir der Typ von hinten ins Ohr. Der junge Mann ist Ende zwanzig, irgendwie links. Das Wort Feminismus hat er schon mal gehört und auch ein paar Texte zum Thema Sexismus gelesen. Ich schubse ihn mit Schmackes von mir herunter und antworte insbrünstig und leicht fassungslos: »Ja!« Minuten zuvor lag er auf mir, Missionarsstellung. Ich langweilte mich, ich gähnte und unterbrach den drögen Akt. Der merkwürdigen Höflichkeit halber schlug ich eine Pause vor. Warum ich nicht gesagt habe, dass mich der Sex nicht anmacht? Wieso ich ihn nicht gleich rausgeworfen habe? Weil ich weder seine Erzieherin noch sein Trainingscoach bin. Manchmal erscheint es mir allerdings so, als sei ich beim Sex entweder hauptsächlich damit beschäftigt, zu erklären, wie der Mann mich anfassen soll, damit es mir gefällt, oder damit, ihm erst einmal zu zeigen, wo das gelobte Land überhaupt liegt. Die andere Hälfte der Zeit verbringe ich damit, zu motivieren und anzufeuern. Irgendwann reißt dann aber der letzte Geduldsfaden. Wieso sagen wir aufgeklärten Feministinnen unseren Liebhabern nicht früher, dass es sich unsexy anfühlt, wenn man sich wie der Apfelkuchen in »American Pie« vorkommt? Neuer Typ, nächster Versuch. Wir machen rum, ich ziehe ihm die Hose runter, will ihm einen blasen. Er guckt zu mir runter, die Funken fliegen, da passiert es. Wie er es anscheinend schon hundertmal in Pornos gesehen hat, will er mich anspucken, nur leider trifft die ganze Suppe ihn selbst. Ich kann nicht mehr und pruste los vor Lachen. Ich finde Anspucken beim Sex okay, nur zielsicher sollte es sein. Genauso verhält es sich mit der oralen Befriedigung. Sich in die Tiefen der Geschlechtsteile zu begeben, erfordert ein wenig Übung und vielleicht ein bisschen Wissen über Anatomie. Es ist eigentlich simpel. Eine Klitoris ist keine Körperöffnung. Und nur weil es blasen heisst, hilft es nicht, in eine Vagina zu pusten. Ein Opfer dieses wirklich weit verbreiteten Mißverständnisses konnte ich kürzlich live erleben. Er war so von sich überzeugt, dass ich selbst gern an seine Fähigkeiten glauben wollte. Nach 15 Minuten, in denen er sich zwischen verzweifeltem Pusten und akrobatischen Zungenbewegungen abmühte, entließ ich ihn in die Freiheit. Vielleicht gibt es ja jemanden, der seinen guten Willen zu schätzen weiß. Diesen Männern und auch mir selbst ­dabei zuzusehen, wie wir Fehler machen, ist zwar frustrierend, aber ab und an auch sehr amüsant. Ich könnte behaupten, die Porno­industrie oder die Kirche sei an all dem schuld, oder dass Typen eben rücksichtslose Vollidioten seien. Aber um Schuld geht es gar nicht. Es geht darum, wie man über Sex redet, übers Vögeln, Liebe machen, über Lust. Nicht drüber reden geht nicht. Aber nach der ersten gemeinsamen Nacht ein womöglich romantisch gemeintes »Ich knall dich weg« per SMS zu lesen, muss auch nicht sein. Mir hätte es sehr geholfen, wenn ich im Schulunterricht mehr bekommen hätte als die allgemeine Präsentation mit der Banane und dem Kondom. Obwohl ja selbst das Anziehen von Gummis für viele Männer schon eine Herausforderung zu sein scheint. Ich wusste jedenfalls schon früh, wie ein Penis aussieht. Was man alles damit machen kann, musste ich mir aber größtenteils selbst beibringen. Zum Glück gibt es mittlerweile Youtube-Tutorials, gutsortierte Sexshops, kluge, witzige Literatur und selbstbewußte Frauen, die genau sagen, worauf sie Bock haben. Menschen haben Sex. Menschen wollen Sex und viele haben auch eine Ahnung davon, wie das auf befriedigende Art und Weise funktioniert. Aber eben bei weitem nicht alle. Ich bin mir unsicher, zu welcher Gruppe ich gehöre. Zumindest habe ich es schon ausprobiert. Mehrfach. Interessant sind dabei nicht nur Körperöffnungen, Körperflüssigkeiten und selbstverständlich meine Befriedigung, sondern auch das Drumherum. Die Offenheit und der Witz bei der Sache. Wir hätten wahrscheinlich alle so viel besseren Sex, wenn wir darüber reden würden, wonach uns der Sinn steht, was uns befriedigt, was uns zum Glühen bringt und vor allem, wie wir festgefahrene Vorstellungen und Bilder überwinden können.