Wie geht es weiter? Die US-Demokraten diskutieren über den politischen Umgang mit Donald Trump

Spenden für den Widerstand

Dem Schock nach dem Wahlsieg Donald Trumps folgt in den USA eine Belebung diverser linker und sozialer Organisationen.

Nur die wenigsten haben vorausgesehen, dass Donald Trump, der millionenschwere Immobilienspekulant und Oberschurke der Reality-Fernsehserie »The Apprentice«, der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird. Sein Wahlkampf war chaotisch, sein Team zerstritten, seine Reden er­innerten an dadaistisches Improvisationstheater. Es gab kein erkennbares Wahlprogramm außer dem diffusen Gelübde, Amerika wieder groß zu machen. Die wenigen konkreten Versprechen, die Trump gegeben hat, klingen verdächtig nach dem Faschismus der dreißiger Jahre: Er versprach den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, drohte elf Millionen Einwanderern ohne Aufenthaltstitel mit Abschiebung, will »Recht und Ordnung« wiederherstellen und den vorwiegend weißen Arbeitern im ehemals industriellen rust belt die Arbeitsplätze zurückbringen, die ihnen Ausländer und »Finanz­eliten« seinerzeit abgenommen hätten.
Der Kern seines Appells ist Rassismus, denn Trump macht stets Fremde und Minderheiten für die Probleme des Landes verantwortlich. Trotzdem oder gerade deswegen konnte er die Wahl gewinnen. Die Frage ist nun, wie es weiter geht. Zum einen können sich Linke und Demokraten womöglich auf parteiinternen Streit unter den Republikanern freuen, erstes Anzeichen dafür ist der Personalwechsel in Trumps Teams kurz nach der Wahl. Die Loyalisten fielen über vermeintliche Opportunisten her und noch immer werden im Trump Tower die Messer gewetzt, während sich der frischgewählte Präsident in seinem vergoldeten Penthouse verbarrikadiert hat und schweigt. Zugleich nehmen gesellschaftliche Konflikte und Angriffe auf Minderheiten in den USA zu. Dem FBI zufolge haben Angriffe auf Muslime ein so hohes ­Niveau erreicht wie seit 2001 nicht mehr. Die unabhängige Bürgerrechtsgruppe Southern Poverty Law Center (SPLC) sprach von 437 Fällen von »Einschüchterung oder Belästigung« allein in den Tagen vom 9. bis 14, November, die meisten davon richteten sich gegen Einwanderer, Schwarze und LGBT.
Zudem kam es in mindestens 52 Städten der USA zu Demonstrationen gegen Trump, unter anderem in New York, Washington, Los Angeles, Oak­land, Chicago und Portland. Und es könnte damit noch munter weitergehen, denn eine neue Generation junger Protestierender will den Kampf von der Straße in die Machtzentren tragen, von einer »linken Tea Party« ist bereits die Rede. Doch die beiden prominentesten Vertreter des linken Flügels der Demokraten, die Senatorin Elizabeth Warren und der Senator und gescheiterte Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders, verfolgen derzeit eher eine Beschwichtigungspolitik. Man könne vielleicht für ein Infrastrukturprogramm mit Trump gemeinsame Sache machen, so die Idee der beiden. »Ich werde unvoreingenommen bleiben und abwarten, welche Ideen Herr Trump anbieten wird, und wann und wie wir zusammenarbeiten können«, sagte Sanders in einer Stellungnahme.
Andere in der Demokratischen Partei sind hingegen auf Konfrontation aus. Zu ihnen zählt der Kongressabgeordnete Keith Ellison aus Minnesota, ein afroamerikanischer Muslim, der sich jüngst um den Vorsitz der Demokratischen Partei beworben hat. Kürzlich nahm er an einer Telefonkonferenz mit Mitgliedern der Graswurzelorganisation »Democracy for America« teil, während der er versprach, »Trump und seiner Ideologie bei jedem Schritt zu widerstehen«. Unterstützt wird Ellison dabei von der jungen Generation in der Demokratischen Partei. »Unser größtes Ziel ist es, Demokraten, die mit Donald Trump verhandeln, in zukünftigen Vorwahlen herauszufordern«, so Waleed Shahid vom Kollektiv »All of Us«. Zusammen mit der Umweltschutzorganisation »350.org« und den Überbleibseln der »Occupy«-Bewegung hat »All of Us« eine Mahnwache vor dem Weißen Haus und eine Sitzblockade vor dem Büro des frisch gewählten Fraktionsführers der Demokraten im Senat, Charles Schumer, veranstaltet, bei der 17 Personen verhaftet wurden.
Die Wahl Trumps hat einen belebenden Effekt auf die Linke in den USA. So wurden seither diverse progressive Organisationen mit Spendengeldern überschüttet. Die Bürgerrechtsgruppe American Civil Liberties Union (ACLU) gab an, dass sie binnen weniger Tage Spenden in Höhe von mehr als sieben Millionen US-Dollar erhalten habe, das beste Ergebnis in ihrer fast 100jährigen Geschichte. Damit wolle sie Trumps Politik vor Gericht bekämpfen. »Die Leute haben Angst«, so Chad Griffin, der Vorsitzende der Human Rights Campaign, die sich vor allem für die Rechte von Schwulen und Lesben engagiert. »Sie hörten, was Trump und andere immer wieder sagten, und sie wissen nicht, was das für sie bedeuten könnte.«
Doch die Demokraten laufen Gefahr, wieder einmal zu sehr auf politische Korrektheit zu setzen und nicht genug auf den altgedienten Klassenkampf. Allzu bereitwillig haben sie die Probleme des Lumpenproletariats in Michigan, Pennsylvania oder Wisconsin ignoriert und das Augenmerk auf die urbanen Kosmopoliten in den Küstenstädten gerichtet.
Auf das Gros der Trump-Wähler wartet eventuell ein böses Erwachen, denn es ist nicht zu erkennen, was Trump an ihrer Misere ändern könnte. Die Globalisierung ist in erster Linie ein gesellschaftlicher Trend, ermöglicht durch moderne Technik und Kommunikationswege. Handelsabkommen hin oder her, Autos werden heutzutage in Mexiko gebaut, in den USA hingegen Apps. Und darin liegt das scheinbar unlösbare Problem der immer größer werdenden Einkommensunterschiede. Zwar hat der scheidende Präsident ­Barack Obama jahrelang Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Umschulungsprogramme, Investitionen in die Infrastruktur und zuletzt auch die Erhöhung des Mindestlohns gefordert, aber die Republikaner haben all das abgeblockt, denn sie wollten ihn scheitern sehen.
Gescheitert ist letztlich Hillary ­Clinton und mit ihr das demokratische Establishment. Denkbar, dass die Demokraten sich von der Identitätspolitik der vergangenen Jahre verabschieden und wieder zu ihren Grundwerten zurückkehren: fairer Lohn, faire Steuern, Erleichterungen im Bildungs- und Gesundheitswesen. Wie war es möglich, dass die Linke hier einem Rechts­populisten das Feld überlassen hat? Lösungen gibt es noch nicht. Zunächst einmal bietet die Linke, neben Sanders’ und Warrens Kooperationsangeboten an Trump, nur den Widerstand gegen den zukünftigen Präsidenten an. Aber das ist ja schon mal was.