Ziemlich gemischt

Ein neues Album von David Pajo. Beinahe wäre es nicht mehr dazu gekommen. Im Februar 2015, etwa ein Jahr, bevor er bei einem Motorradunfall fast ein Bein verloren hätte, versuchte Pajo, sich das Leben zu nehmen. Depressionen, schrieb er damals auf seiner Website, seien der Grund gewesen. Was küchenpsychologisch zur Werkausdeutung verwendet werden könnte: Hatte Pajo in den drei Jahrzehnten seines Künstlerdaseins so viele Platten gemacht, um sich durch Arbeit abzulenken von dem finsteren Gebräu in seinem Kopf? Durchzieht nicht der Wunsch nach der großen Kapitulation viele seiner Songs? Und wer zur Hölle ist eigentlich dieser David Pajo?
Pajo hat den Postrock erfunden. Nicht allein, die anderen Bandmitglieder von Slint waren auch dabei. Und ob Erfindung ein Wort ist, das im Zusammenhang der Gitarrenmusik der vergangenen 30 Jahre angebracht ist, scheint fraglich. Aber irgend­etwas mit Rock und Jazz passierte damals und plötzlich sprach man aufgeregt von Tortoise, Stereolab – dann auch von Papa M, hinter dessen Lo-Fi-Folk sich dieser David Pajo verbarg, der auch als Pajo Alben machte und in der Louisville-Heavy-Metal-Band Dead Child spielte.
»Highway Songs« ist Pajos erste Soloveröffentlichung seit sieben Jahren und das erste Album von Papa M, seit 2001 »Whatever Mortal« erschien. Und für die Küchenpsycho­logen: Von Lebensmüdigkeit kann keine Rede sein. Das Album überrascht mit einer fast vergnüglichen Sprunghaftigkeit, es ist stilistisch abwechslungsreich wie eine gute Compilation. Schwerstarbeit an der Gitarre in einem Song, der aus der Feder von Eyehategod stammen könnte, collagierte Elektroschnipseleien, Breakbeats im nächsten, Slint-artiger Minimalismus im weiteren Verlauf. Ist das noch Papa M? Mit dem Frühwerk hat »Highway Songs« nur bedingt etwas gemein. Als alter Fan kann man das schlimm finden. Oder sich darüber freuen, dass Pajo sich jede ­erdenkliche Freiheit genommen hat. Eben auch die, etwas zu enttäuschen.
Papa M: Highway Songs (Drag City / Rough Trade)