In nordrhein-westfälischen Flüchtlingsheimen herrschen Missstände

Zwischen SS-Fans und Vergewaltigern

Die nordrhein-westfälische Landesregierung erntet für ihre Aufsichtspraxis bei Flüchtlingsheimen immer mehr Kritik.

19 Vorstrafen soll der ehemalige Leiter des Flüchtlingsheims im sauerländischen Finnentrop in Nordrhein-Westfalen haben. Darunter sollen nicht nur Verurteilungen für Gewalt- und Drogendelikte fallen, sondern auch ein Sexualverbrechen. Seit kurzem steht der 51jährige Mann vor dem Landgericht Arnsberg. Er muss sich wegen vierfacher Vergewaltigung einer jungen Syrerin aus der Unterkunft verantworten, die er bei sich zu Hause hatte einziehen lassen. Der mutmaßliche Täter ist Angestellter des privaten Heimbetreibers European Homecare. Die Firma geriet 2014 in die Schlagzeilen, weil sie Sicherheitsleute beschäftigte, die Flüchtlinge im Heim schikaniert und gefoltert haben sollen. Ein Foto von diesen Übergriffen löste damals einen Skandal aus. Die Einrichtung wird heute vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) betrieben.
Wohl wegen dieses Imageproblems hatte das Essener Unternehmen den bundesweit tätigen PR-Experten Klaus Kocks als Sprecher engagiert. Kürzlich versuchte er, in der Westdeutschen ­Allgemeinen Zeitung (WAZ) mit Blick auf die Übernahme eines Heims in Rüthen, einer Stadt in der Nähe Finnentrops, die Wogen zu glätten. »So etwas wird nie mehr passieren«, sagte Kocks zum Burbacher Folterskandal und sprach von neuen Sicherheitsstandards im Unternehmen. Einen Tag später wurde das Vorstrafenregister des beurlaubten Heimleiters in Finnentrop ­bekannt.
Nicht nur die Standards in den Unternehmen, die Flüchtlingsheime leiten oder Aufträge für den Wachschutz ergattern, bieten Grund zur Sorge. Auch die Überprüfungen der Mitarbeiter durch Landeskriminal- und Verfassungsschutzämter, die nach dem Vorfall in Burbach angeordnet wurden, haben sich im Sommer als ineffizient erwiesen. Recherchen des Blogs Ruhrbarone zeigen, dass in dem Burbacher Heim mehrere Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes mit Verbindungen in die rechtsextreme Szene gearbeitet haben. Im Internet ließen sie sich über ihre »Schützlinge« aus, einer führte sein Facebook-Profil gar unter einem Banner mit der verbotenen SS-Losung »Meine Ehre heißt Treue«. Nachdem Innenminister Ralf Jäger (SPD) anfänglich sein Entsetzen über die »rechte Hetze« in den Heimen kundgetan hatte, relativierte sein Haus bei nachlassendem öffentlichen Interesse den Vorfall und erklärte ausschließlich den SS-Fan zum Problem, nicht aber die rassistischen Auslassungen der anderen Mitarbeiter.
Dann ist da noch das Heim im sauerländischen Olpe. Diese Landesunterkunft unterstand zeitweise dem Leiter aus dem benachbarten Burbach. Beide Einrichtungen werden von einem DRK- Tochterunternehmen aus West­falen-Lippe mit Sitz in Münster betrieben. Eine ehemalige Mitarbeiterin aus der Verwaltung klagte vor dem Arbeitsgericht Siegen gegen ihre Kündigung und wirft dem Heimleiter vor, ein Sexualdelikt gegen ein siebenjähriges Mädchen aus dem Irak nicht angezeigt zu haben. Weiter wirft ihm die Klägerin vor, vertuschen zu wollen, dass ein Flüchtling seine schwangere Frau verprügelt habe. Zur Begründung soll ihr ehemaliger Vorgesetzter angegeben haben, dass Schläge für Frauen in anderen Ländern ganz normal seien. Die Klage der Mitarbeiterin wurde Anfang des Jahres in zweiter Instanz ab­gewiesen.
Das Innenministerium bestritt diese Vorwürfe, obwohl das DRK-Tochter­unternehmen deren Richtigkeit selbst eingestanden hatte. Doch das Interesse, diesen Widerspruch aufzuklären, schien bisher eher gering zu sein. Auch die inkonsisten Angaben des DRK über den Beschäftigungszeitraum des Heimleiters riefen kaum Nachfragen hervor. Deshalb besetzten vor zwei Wochen zwei Dutzend Menschen zeitweise die Zentrale des Betriebs in Münster. Statt des geforderten Gesprächs mit Verantwortlichen gab es für die Besetzer jedoch Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs. Im Mai stehen die Landtagswahlen an, durch den Wahlkampf könnte das Interesse an den Vorfällen in den nordrhein-westfälischen Heimen womöglich wieder steigen.
Theo Kruse, der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, fragte ­unterdessen, wie es dazu kommen konnte, dass unter der Aufsicht des Landes und der Bezirksregierung Arnsberg ein Mann mit 19 Vorstrafen das Burbacher Flüchtlingsheim führte. Kruse wollte wissen, »wie die Landes­regierung die Einhaltung diesbezüg­licher Vorgaben künftig sicherstellen will«. Unternehmenssprecher Kocks umriss das Problem mit der Sicherheit für die Bewohner in den Heimen in der WAZ folgendermaßen: »Solche Idioten, die Tätowierungen haben, die uns nicht gefallen, und sich bei ihrem Vorgehen auch noch gegenseitig fotografieren, brauchen wir nicht.«