Mit Donald Trump wird in den USA ein autoritäres Racket etabliert

Regierung des Mobs

Donald Trump versucht, ein autoritäres Racket im Weißen Haus zu etablieren – zur Freude der entsprechenden Gefolgschaft in den USA und Europa sowie internationaler Diktatoren, die auf eine Selbstzerstörung der liberalen Demokratie hoffen.

Lange bevor Donald Trump am 20. Januar 2017 feierlich Amt und Würden der US-Präsidentschaft verliehen werden, nimmt seine Regierung und Politik Gestalt an. Mit seinem Wahlkampfmanager Stephen Bannon hat Trump einen ebenso cleveren wie rechtsextremen und rassistischen Ideologen als Chefstrategen für das Weiße Haus gewonnen, der in der Vergangenheit von sich sagte, er wolle als rechter »Leninist« den »amerikanischen Staat zerstören«.
Den Posten des Justizministers soll Jeff Sessions aus Alabama erhalten. Sessions nannte den Voting Rights Act von 1965 einmal ein »Stück aufdringliche Gesetzgebung«. Der Voting Rights Act ist ein Bundesgesetz, das rassistische Diskriminierung beim Wahlgang verbietet, und war deshalb ein Meilenstein für die Bürgerrechtsbewegung. Für Fragen nationaler Sicherheit ist der Putin-Apologet Michael Flynn zuständig.
Dass Trumps Familienangehörige an den Regierungsgeschäften beteiligt werden und zugleich seine privaten Geschäfte weiterführen sollen, offenbart derweil die ersten Zeichen dessen, was Paul Waldman in der Washington Post als die »Trump-Kleptokratie« bezeichnet: die schamlose Vermischung persönlicher Wirtschaftsinteressen mit Staatsangelegenheiten. Trump stellt offen zur Schau, dass er das Weiße Haus dazu nutzen wird, seine Geschäfte auf Vordermann zu bringen und endlich mit der Autorität des Oval Office den Reichtum zu erwerben, von dem er immer geredet hat.
Die Konturen der Regierung Trumps dürften recht genau dem entsprechen, was Max Horkheimer als Racket bezeichnete. Der Begriff ist der organisierten Kriminalität entlehnt und verweist auf die auf Macht und Gewalt gestützte unmittelbare Aneignung von Reichtum in der nachbürgerlichen Gesellschaft. Horkheimer indiziert dabei eine Regression auf die »Grundform der Herrschaft« bei gleichzeitiger Aussetzung oder Aushebelung des liberalen abstrakten Rechts in der modernen Gesellschaft. Das Racket basiert auf der direkten »Herrschaft der Stärkeren«. Das autoritäre Racket verknüpft darüber hinaus die Selbsterhaltungsinteressen einer mafiösen Clique loyaler Insider und deren erpresserischer Aneignungswünsche mit ressentimentgeladener Demagogie und Massenmobilisierung des Mobs von der Straße gegen Juden, »die da oben«, Schwarze, Minderheiten, Andersdenkende.
Aus der autoritären Verachtung demokratischer Prozesse und zivilen Rechts wie seiner Unkenntnis republikanischer Institutionen hat Trump keinen Hehl gemacht. Im Notfall hätten die Second Amendment people, die sich auf den zweiten Verfassungszusatz berufenden bewaffneten Leute, so Trump augenzwinkernd während des Wahlkampfs, das Problem Hillary Clinton erledigen können. Trump sieht sich selbst nicht als Teil des politischen Systems, sondern als einen mit uneingeschränkter Macht ausgestatteten Führer, der, von seiner »Bewegung« ins Amt getragen, diesen Posten vor allem seiner »genetischen Überlegenheit« verdanke. Er betont: »Ich bin stolz, deutsches Blut zu haben.«
Die ideologische und praktisch-politische Ausrichtung der künftigen Trump-Regierung in der Innen- und Außenpolitik ist dabei keineswegs gänzlich »unbestimmt«, wie manche glauben. Trumps Racket steht für die frauenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Ressentiments und den antiliberalen, antidemokratischen Autoritarismus, die den Milliardär in das Weiße Haus gebracht haben. Dazu kommen voraussichtlich milliardenschwere Steuererleichterungen für Wohlhabende – nicht zuletzt für ihn selbst – und die Aushebelung von Steuer- und Strafverfolgungsbehörden bei Wirtschaftskriminalität, dem sogenannten white-collar crime.
Welche Grenzen diesem Vorhaben gezogen werden, wird wesentlich von der Stärke der konstitutionellen amerikanischen Demokratie, ihrer Medien und ihrer Institutionen abhängen. Angesichts der Robustheit des demokratischen Rechtsstaats, seiner Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit seiner Amtspersonen gibt es einen gewissen Grad an Hoffnung, es könnte mit der Trumpocracy nicht ganz so schlimm werden. Doch schützen Institutionen nicht automatisch vor autoritären Tendenzen, sie sind beeinflussbar vom »politischen Klima« (Theodor W. Adorno). Und dies hat bereits enormen Schaden genommen durch den autoritären backlash, den Trumps Kampagne und Wahlsieg bedeuten. Die große Mehrheit seiner Gegner wusste, dass »Make America great again« eigentlich »Make America white again« bedeutete und vor allem antizivilisatorische Ranküne mobilisierte.
Dass dieser Sieg David Duke, dem Neonazi und ehemaligen Grand Wizard des Ku-Klux-Klan, nach eigenen Angaben den schönsten Tag seines Lebens bescherte, ist ebenso wenig überraschend wie die Freude antiwestlicher Diktatoren dieser Welt darüber, dass ein illiberaler Geist ins Weiße Haus einziehen dürfte. Sie frohlocken über mögliche Selbstzerstörungsprozesse der wichtigsten Demokratie der Welt, so etwa der oberste Führer der iranischen Mullah-Dikatur, Ali Khamenei, und selbstverständlich der russische Präsident Wladimir Putin. Schließlich habe Trump Putins Propaganda eins zu eins wiederholt, und Trumps Verachtung demokratischer Institutionen sowie seine Bewunderung für den russischen Autokraten erfüllten Putins »wildeste Träume«, so der russische Oppositionelle Garri Kasparow.
Doch während die kritische Intelligenz in den USA und führende amerikanische Intellektuelle verschiedenster politischer Couleur die Dramatik des Siegs von Trumps autoritär-nationalistischer Bewegung in aller Deutlichkeit benennen – Jeffrey Herf zufolge würde Trump Carl Schmitt »mit Stolz erfüllen«, Robert Kagan erkennt in Trumps Politik faschistische Züge – bildet sich im Gefolge des Trump train eine neue Querfront von Bewunderern, Apologeten und Verharmlosern in den USA und Europa. Dass die europäische extreme Rechte frohlockt, einschließlich der AfD und des Front National, der von Bannon sofort nach der Wahl zur Zusammenarbeit aufgefordert wurde, ist nicht verwunderlich. Auch antisemitische Verschwörungsdenker fühlen ihren Moment gekommen, denn der Trump train spricht ihre Sprache, ebenso erfreut sind die globalen prorussischen »Friedensfreunde«.
Doch selbst Außenpolitiker des bröckelnden republikanischen Establishments zeigen sich überraschend orientierungslos oder springen gleich auf den Trump train auf. Und auch manch aufgeklärter Denker in Europa übernimmt Trumps manichäisches Denken, wonach der designierte Präsident als erklärter Gegner des Islamismus als »Feind meines Feindes« ins Töpfchen der Guten sortiert wird. Wer sich um die Zukunft der Demokratie sorgt, gilt als Weichei. Dass Trump zwischenzeitlich eine härtere Politik gegen das iranische Regime angekündigt hat, nehmen selbst einige proisraelische Linke wie Gerhard Scheit zum Anlass, in dem vulgären Pöbler aus Queens potentiell einen »neuen Roosevelt« zu sehen und auf die »List der Vernunft« zu hoffen. Es ist der Wunsch nach Versöhnung einer unversöhnten Welt, in der der von Adorno und Horkheimer diagnostizierte herrschende Weltungeist mit Trump als designiertem US-Präsidenten sicher nicht kleiner geworden ist. Angesichts von Trumps Ergebenheit gegenüber Putin und dessen Partnerschaft mit dem Iran und dem syrischen Regime ist jedoch zu bezweifeln, ob die Andeutungen, das problematische Atomabkommen mit dem Iran aufzukündigen oder nachzuverhandeln, irgendein Gewicht oder Aussicht auf Erfolg haben. Die Verharmlosung eines autoritären Bullies zeugt von einer konformistischen Sehnsucht, der starke Mann werde es schon richten.
Für Antiamerikanismus freilich besteht so wenig wie je Berechtigung. In Europa, wo das Kuscheln mit Diktatoren in Russland oder dem Iran seit langem eingeübt ist, sind die autoritären nationalen Populisten Motor und Ausdruck einer nicht mehr stillen Konterrevolution. Sie sind es, die aus Trumps Erfolg Kraft ziehen. Die unter 45jährigen haben in den USA fast landesweit gegen Trump gestimmt und es gibt starke Gegner des Autoritarismus in rechtsstaatlichen Institutionen und der politischen Kultur der ältesten und robustesten Demokratie der modernen Welt. Doch die Trumpocracy des Scharlatans im Oval Office deutet auf ernsthafte Beschädigungen der zivilisatorischen Errungenschaften der USA, selbst wenn Trumps Racket mit seinen Orwell’schen fake news nur ein Übergangsphänomen sein sollte. Es zeigt, wie mächtig die antizivilisatorische Wut immer noch ist. Das Phänomen Trump indiziert zudem, wie prekär demokratische Institutionen und demokratisches Bewusstsein in der modernen, globalisierten Gesellschaft sind. Es zeigt vor allem: Die Selbstzerstörung der Demokratie – darüber sollte man sich keine Illusionen machen – ist jederzeit möglich. Unausweichlich ist sie freilich nicht.