Kurzmeldungen #48

Picasso-Schau und Peitsche
Teheran. Während sich die Berliner Gemäldegalerie darauf vorbereitet, die millionenschwere Bildersammlung der Schah-Witwe und ehemaligen Kaiserin von Persien, Farah Diba Pahlavi, mit Werken von Picasso, Bacon, Monet und Rothko auszustellen, sind Künstler im Iran weiterhin schärfsten Repressionen ausgesetzt. Der jüngste Fall betrifft den iranischen Filmemacher Keywan Karimi, der wegen eines Dokumentarfilms über Graffiti in Teheran in der vergangenen Woche ins Teheraner Evin-Gefängnis gebracht wurde, wo er eine einjährige Haftstrafe verbüßen soll. Karimi hatte in »Writing on the City« die politischen Graffiti auf den Mauern Teherans in der Zeit vom Sturz des Schahs 1979 bis zur Protestbewegung 2009 dokumentiert. Karimi, der aus dem iranischen Kurdistan stammt, war im Oktober 2015 zunächst zu sechs Jahren Haft wegen »Beleidigung der heiligen Werte« und »Propaganda gegen die Regierung« verurteilt worden. Im Berufungsverfahren wurde die Strafe in ein Jahr Gefängnis und 223 Peitschenschläge umgewandelt. Das Vorgehen gegen den 31jährigen Dokumentaristen, der bisher vor allem sozialkritische Filme gedreht hat, hat internationale Proteste ausgelöst. her
Deep Listening
Pauline Oliveros. Auf jedem Weg allem nur Erdenklichen zuhören; jedem Sound Aufmerksamkeit schenken, egal, womit man gerade beschäftigt ist – so etwa lautet die Kurzform des deep listening. Den Begriff prägte die US-amerikanische Akkordeonistin, Experimentalmusikerin und Dozentin an der University of California, Pauline Oliveros, Mitte der achtziger Jahre, als die Aufnahmen zu »Watertank Software« in einem riesigen unterirdischen Betontank in Köln entstanden. Oliveros verkehrte seit Anfang der Sechziger im berühmten San Francisco Tape Music Center, wo sie wie Morton Subotnick, Steve Reich, Terry Riley und Don Buchla mit Bandschleifen und allerlei vormals als unmusikalisch geltendem Instrumentarium experimentierte und komponierte. Am 24. November ist die Pionierin der elektronischen Musik im Alter von 84 Jahren gestorben. oko
Begegnung der dritten Art
Arrival. Es sind riesige Monolithen aus pechschwarzem Gestein. Geformt sind sie wie Kaffeebohnen, Blutkörper oder Eier – und schweben nur einige Meter über dem Boden, während ihre Spitzen in 500 Metern Höhe durch die Wolkendecke stoßen. Zwölf dieser mysteriösen Objekte, die ganz sicher nicht von Menschenhand erschaffen wurden, sind plötzlich auf der Erde aufgetaucht. Sie tun nichts, verharren nur in ihrer riesenhaften Rätselhaftigkeit, die international für Spekulationen und überaus angespannte Nerven sorgt. Wenn Unbekanntes ins Spiel kommt, liegt das Gerede von Bedrohung in der Regel nahe. Die einen sehen das Ende, andere schon den Beginn einer neuen Welt nahen. Die Nachrichten zeigen Bilder von Aufständen überall auf dem Planeten und der Finger liegt zittrig am Abzug. Das Militär weiß nicht weiter und holt Hilfe – bei Dr. Louise Banks (Amy Adams), einer Sprachforscherin, die mit den Besuchern in Kontakt treten wird. Im Innenraum eines Raumschiffs, wo die Schwerkraft aufgehoben ist. Es ist ein friedlicher, ruhiger Ort, vom Weltlauf verschont, an dem Banks den tentakelbewehrten Wesen gegenübertritt, um ihr finster grollendes Schnaufen zu deuten und ihre Schriftsprache zu dechiffrieren. Tinte stoßen sie aus, die zu kreisrunden Gebilden zusammenfließt. Es handelt sich um eine nichtlineare Sprache, um Logogramme; allerlei linguistische Theorien werden angesprochen und es wird klar: Der Schlüssel zum Schicksal der Welt könnte in gelungener Kommunikation liegen. Der kanadische Regisseur Denis Villeneuve, bekannt vor allem durch die Thriller »Prisoners« (2013) und »Sicario« (2015) hat mit »Arrival« einen der faszinierendsten Science-Fiction-Filme der vergangenen Jahre gedreht. Die ersten 50 Minuten des Films sind von solch atmosphärischer Dichte, dass einem der Atem stockt. Spätestens dann, wenn die Protagonistin im Inneren des Raumschiffs die Luft anhält. oko