Unternehmer und Autokraten trafen sich beim Frankreich-Afrika-Gipfel in Mali

Rein in die Einflusszone

Beim Frankreich-Afrika-Gipfel in der malischen Hauptstadt Bamako trafen unter anderem afrikanische Autokraten auf französische Unternehmer.

Ihm zumindest brachte der Freitag, der 13., in der vergangenen Woche kein Unglück: François Hollande, der sich zum an jenem Tag beginnenden Frankreich-Afrika-Gipfel in Malis Hauptstadt Bamako begab, wird wahrscheinlich mit Wehmut auf diesen zurückblicken. Denn selten wurde seine Arbeit als französischer Präsident mit so viel Lob bedacht wie dort, wo 35 afrikanische Staats- und Regierungschefs versammelt waren – nicht nur aus der französischen Einflusszone in Nord-, West- und Zentralafrika. Die französische Presse wie auch Hollandes Finanzminister Michel Sapin kolportierten aus diesem Anlass, der in einigen Monaten aus dem Amt scheidende Präsident bereue inzwischen seine Entscheidung, nicht wieder zu kandidieren, die er am 1. Dezember bekanntgegeben hatte.
In Frankreich selbst will kaum jemand Hollande derart loben. Seine Politik gilt vielen als Desaster. Den Lohnabhängigen war etwas anderes versprochen worden, als sie erhielten, und das organisierte Kapital erhofft sich noch mehr von einem rechteren Präsidenten. Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keïta als Gastgeber des Gipfels mochte hingegen im Lob für seinen Amtskollegen, der mittlerweile genauso an Popularität eingebüßt wie er selbst, gar nicht mehr innehalten. Eine Passage ließ er allerdings während seiner Ansprache weg, die im schriftlichen Manuskript noch enthalten war: Unter Hollande hätten, anders als in der Vergangenheit, »Frankreich und seine Armee nur am Krankenbett der Demokratie in Afrika eingegriffen, und nie, um einem Despoten oder Autokraten zur Hilfe zu kommen«.
Das hätten einige der prominenten Gäste wohl nicht gerne gehört. Auf einem von der Agentur AFP verbreiteten Foto sieht man etwa direkt neben Hollande Denis Sassou-Nguesso sitzen, der mit einigen Unterbrechungen bereits 33 Jahr lang die Republik Kongo-Brazzaville diktatorisch regiert. Die Behauptung, Hollande habe zur Demokratisierung in der französischen Einflusszone in Afrika beigetragen, hätte Sassou-Nguesso vielleicht auch erheitert.
Zwar forderte Hollande in einer 2014 in der senegalesischen Hauptstadt Dakar gehaltenen Rede die Präsidenten im französischsprachigen Afrika dazu auf, die Verfassungen ihrer Länder zu respektieren, sofern diese Amtszeitbeschränkungen oder Ähnliches vorsehen. Doch vergangenes Jahr ließen sich vier dieser Autokraten bei Wahlen im Amt bestätigen, die offensichtlich nicht demokratischen Standards genügten: im März Sassou-Nguesso in Kongo-Brazzaville, im April Ismail Omar Guelleh in Djibouti sowie der für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortliche Idriss Déby im Tschad und Ende August Ali Bongo in Gabun. Allein der 59jährige Bongo blieb dem Gipfel in Bamako fern, obwohl er am Galaessen des Vorabends teilgenommen hatte. Am Samstag zog er es vor, die afrikanische Fußballmeisterschaft CAN zu eröffnen, die in diesem Jahr in Gabun ausgetragen wird und an der vor allem französische Unternehmen verdienen.
Der tschadische Präsident Idriss Déby gilt inzwischen als einer der engsten Verbündeten Frankreichs, da er dabei hilft, im Norden Malis militärisch zu intervenieren. Wobei diese Intervention bis heute keines der dringendsten Probleme einer Lösung nähergebracht hat. Im vergangenen Jahr wurden in Nordmali 385 Attacken von Jihadisten und kriminellen Banden verübt, bei denen 332 Menschen zu Tode kamen.
Déby kam 1990 mit offener Billigung Frankreichs an die Macht und stürzte seinen Vorgänger, den gleichfalls als Schlächter bekannten Hissène Habré, unter dessen Regierung 40 000 Menschen »verschwanden«. Habré wurde vor einigen Monaten in Dakar wegen Verbrechen gegen die Menschheit verurteilt, kürzlich begann sein Berufungsprozess. 
Déby war in den achtziger Jahren Habrés Generalstabschef. Im Namen der »Realpolitik« und des »Antiterrorkampfes« wird sein Regime längst aufgewertet, was den Kampf gegen den Jihadismus in der Region eher diskreditiert als befördert. Das Hauptquartier der französischen »Opération Barkhane«, die seit 2014 die Jihadisten in der Sahelzone bekämpfen soll, wurde in der tschadischen Hauptstadt N’Dja­mena angesiedelt. Mit 4 000 Soldaten ist es der größte Auslandseinsatz der französischen Armee außerhalb von Bündniseinsätzen seit dem Algerien-Krieg.

Zu Armutsbekämpfung und wirtschaftlicher Entwicklung ist zwar pompös von einer »Agenda 2063« die Rede, doch konkret findet sich sehr wenig Neues.

Terrorismusbekämpfung und militärische Sicherheitskonzepte, vor allem in der Sahelzone und rund um den Tschad-See sowie im Zusammenhang mit Piraterie am Horn von Afrika, spielen auch eine Schlüsselrolle in der 38 Punkte umfassenden Abschlusserklärung des Gipfels von Bamako. Zu Armutsbekämpfung und wirtschaftlicher Entwicklung ist zwar pompös von einer »Agenda 2063« die Rede, doch konkret findet sich sehr wenig Neues. Finanzmittel, die afrikanischen Staaten im Rahmen des im Herbst 2015 in Malta lancierten »Valletta-Prozesses« mit der EU im Gegenzug für verstärkte Migrationskontrolle und Zuarbeit für das vorgelagerte Grenzregime der Europäischen Union zugesagt wurden, werden hier nochmals aufgelistet.
Konkret wurde der Gipfel allein in der Frage der Machtübergabe in Gambia, wo der am 1. Dezember abgewählte Autokrat Yahya Jammeh nun doch nicht abtreten will, nachdem er seine Niederlage zunächst anerkannt hatte. Hier wolle man nicht tatenlos zusehen, darin waren die Gipfelteilnehmer sich einig. Das englischsprachige Gambia zählt allerdings gar nicht zur französischen Einflusszone in Afrika, die faktisch einen eigenen Staatenclub bildet. Anstelle des wegen seines Folterregimes berüchtigten Jammeh wurde dessen gewählter Nachfolger Adama Barrow nach Bamako eingeladen. Am Donnerstag dieser Woche soll er seinen Amtseid leisten – entweder in Gambias Hauptstadt Banjul oder, wenn Jammeh nicht einlenkt, in Dakar. Bis dahin bleibt Barrow im Senegal.
Die französisch-afrikanischen Beziehungen dürften sich auch unter Hollandes Nachfolger aller Voraussicht nach nicht verbessern. Der Kandidat der Konservativen, François Fillon, beispielsweise ist für die Wahrung Frankreichs imperialer Interessen in Afrika bereits bestens gewappnet. Am 5. Januar meldete die auf Afrika-Themen spezialisierte und an französisches Führungspersonal gerichtete Publikation La Lettre du Continent: »Die ›Afrikaner‹ Fillons stehen bereits im Wartestand!«
Eine Schlüsselrolle spielt dabei der frühere Verteidigungsminister unter Nicolas Sarkozy, Gérard Longuet. Er begann seine Karriere bei der rechts­extremen gewalttätigen Studentengruppe Occident und verfasste 1973 das erste – knappe – Wirtschaftsprogramm des Front National (FN). Heutzutage zählt er zum rechten Flügel der Konservativen. Zugleich ist er Geschäftsführer der Gesellschaften Sea Invest France und Sea Invest Afrique, die bedeutende Interessen in den Häfen der westafrikanischen Côte d’Ivoire, Abidjan und San-Pédro, und im Rohstofftransport haben. Als Verteidigungsminister hatte Longuet im April 2011 den Einsatz befehligt, bei dem die französische Armee maßgeblich dabei half, Laurent Gbagbo in der Côte d’Ivoire als Präsident ab- und Alassane Ouattara einzusetzen. Nun ist Ouattara Longuets Ansprechpartner für Wirtschaftsfragen.
Afrika hat für die französischen Wirtschaftsverbände eine große Bedeutung, da vor allem einige der börsennotierten Großkonzerne bedeutende Extraprofite aus dem Kontinent herauspressen, die mit dem sogenannten normalen Marktgeschehen kaum zu erklären sind. 60 französische Konzernchefs begleiteten Hollande bei seinem Besuch in Bamako, auch wenn es nur einige wenige Unternehmen wie der Konzern von Vincent Bolloré sind, die den Markt unter sich aufteilen. Unter Präsident Hollande hatte das Außenministerium versucht, eine Entmonopolisierung voranzutreiben, um mehr privatwirtschaftliche Akteure einzubinden und dadurch die französischen »Netzwerke« in Afrika teilweise zu entstaatlichen. Zugleich wurde versucht, Frankreichs Interessen auf dem Kontinent stärker auf das als wirtschaftlich dynamisch geltende Ostafrika auszurichten. Diesen Versuch bezeichnet etwa Cyril Bensimon in Le Monde als gescheitert.
Auch der französische Staat profitiert von den postkolonialen Strukturen, da die Devisenguthaben der frankophonen afrikanischen Staaten nach wie vor bei der französischen Zentralbank eingelagert sind.