In Spanien wurde ein linker Sänger wegen Verherrlichung des Terrorismus zu einem Jahr Haft verurteilt

Ein Jahr Haft für sieben Tweets

Ein linker spanischer Sänger ist wegen Verherrlichung des Terrorismus zu einem Jahr Haft verurteilt worden.

Für sieben seiner Tweets wurde César Montaña Lehmann vom Tribunal Supremo, dem Obersten Gericht Spaniens, am Donnerstag vergangener Woche zu einem Jahr Haft verurteilt. Gemäß Artikel 578 des spanischen Strafgesetzbuchs ist dies die Mindeststrafe für die Verherrlichung von Terrorismus. Der unter seinem Künstlernamen César Strawberry bekannte Sänger der für ihre expliziten, oft linksradikalen Texte bekannten Band Def Con Dos war zuvor im Juli 2016 in erster Instanz von der Audiencia Nacional, dem in Spanien für Terrorismus und organisierte Kriminalität zuständigen Gericht, freigesprochen worden. Die dem Innenministerium unterstehende Staatsanwaltschaft hatte dagegen jedoch Rechtsmittel eingelegt, wodurch es zum Prozess vor dem Obersten Gericht kam.
Im zur Festung ausgebauten Hochsicherheitsgericht Audiencia Nacional finden unter anderem Prozesse gegen baskische Separatisten der Eta und Jihadisten statt. Seit die Eta im Oktober 2011 eine »definitive Waffenruhe« verkündet hat und keine Anschläge mehr verübt und seit den Verschärfungen des Gesetzes zur Bürgersicherheit vom 1. Juli 2015 und des Strafgesetzbuchs vom 23. November 2015 werden vermehrt auch Meinungsäußerungen als »Verherrlichung des Terrorismus« zur Anklage gebracht. Allein in den Razzien »Spinne 1« bis »Spinne 4« wurden zwischen Mai 2014 und April 2016 von den Antiterroreinheiten der Guardia Civil 63 Verdächtige festgenommen (Jungle World 22/2014). Nur einem der 63 Verhafteten wurde vorgeworfen, Propaganda für den Jihad zu betreiben – allen anderen die »Verherrlichung des Terrorismus« der seit sechs Jahren inaktiven ETA und der seit zehn Jahren nicht mehr aktiven, bewaffneten marxistisch-leninistischen Untergrundgruppe Grapo.
Einer der 19 im Mai 2015 bei der Razzia »Spinne 3« Festgenommenen war César Montaña Lehmann. Er behauptet, zuvor zwei Jahre lang observiert worden zu sein. Dies passt zu dem Zeitraum, in dem er die sieben Tweets abgesetzt hat – zwischen November 2013 und Januar 2014 –, wegen derer er vergangene Woche verurteilt wurde.
In der Urteilsbegründung des Obersten Gerichts heißt es, die Tweets Montaña Lehmanns »fördern den Diskurs des Hasses, legitimieren den Terrorismus als Methode zur Lösung von sozialen Konflikten und zwingen dessen Opfer, sich an die Bedrohungen, die Entführungen oder die Ermordung eines nahen Familienangehörigen zu erinnern«. Das Oberste Gericht widersprach dem vorinstanzlichen Urteil der Audiencia Nacional: Die »Provokation, die Ironie und der Sarkasmus«, die für die Lieder von Def Con Dos typisch seien, rechtfertigten keinesfalls einen Freispruch. 
Damit ließ das Gericht auch die Einlassungen des Angeklagten zum Hintergrund der jeweiligen Tweets außer Acht. Der Erste lautete: »Der unverhohlene Faschismus von Esperanza Aguirre lässt mich geradezu der Grapo nachtrauern.« Die Aussage sei »dialektische Prahlerei«, so Montaña Lehmann. Die konservative Politikerin Esperanza Aguirre habe die linksalternative Partei Podemos mit der Eta verglichen. Mit seinem Bezug auf die Grapo habe er die Absurdität dieses Vergleichs verdeutlichen wollen. Der zweite Tweet war: »Jetzt müsste man Ortega Lara entführen.« Dies sei eine Reaktion darauf gewesen, dass der vor vielen Jahren von der Eta entführte Ortega Lara angekündigt hatte, für die rechtsextreme Partei Vox zu kandidieren. In zwei weiteren Tweets bezog sich der Angeklagte auf den Anschlag von 1973 auf Carrero Blanco, den damaligen Ministerpräsidenten und Stellvertreter des Diktators Francisco Franco. Die Eta hatte Carrero Blanco mitsamt seinem Auto 14 Meter hoch in die Luft gesprengt. »Wie viele sollten dem Flug von Carrero Blanco folgen«, twitterte der Sänger. In einem anderen Tweet zählte er die Namen von spanischen Faschisten auf, die sehr alt gestorben sind, und folgerte: »Wenn du ihnen nicht das gibst, was Carrero Blanco zuteil wurde, ist die Langlebigkeit immer auf ihrer Seite.«
Bezeichnenderweise werden Tweets von spanischen Neonazis oder Ultrakonservativen, in denen sie exponierten Linken den Tod wünschen, von Spaniens Polizei und Justiz wesentlich seltener verfolgt als Aussagen wie die Montaña Lehmanns. Dieser sagte dem privaten Fernsehsender La Sexta am Freitag: »Sie haben mich wegen meiner ideologischen Ansichten verurteilt.« Das Urteil sei »eine politische Bestrafung«. Er wolle vor das Verfassungsgericht und notfalls vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen. Mit einem für Spanien verbindlichen Freispruch in Straßburg könnte er einen Präzedenzfall schaffen für viele andere wegen Verherrlichung des Terrorismus Angeklagten. Viele willigen in Angebote der Staatsanwaltschaft ein, eine kürzere als die von der Anklage geforderte Haftstrafe abzusitzen, um einen aufwendigen Prozess zu vermeiden. Die Strafe wird dann meist ausgesetzt.
Der Sprecher der progressiven Organisation »Richter für die Demokratie«, Iñaki González, stellte im Juli 2016 angesichts des ersten Prozesses gegen Montaña Lehmann fest, die zu erwartende Strafe, bis zu drei Jahre Haft für Verherrlichung des Terrorismus, sei unangemessen hoch.