Das iranische Regime lässt in Deutschland spionieren

Israels Freund, Irans Feind

Der Iran ließ offenbar einen proisraelischen deutschen Politiker bespitzeln, die Bundesanwaltschaft hat mittlerweile Anklage gegen den enttarnten Spion erhoben. Die Bundesregierung schweigt bislang zu dem Fall.

Als der 31 Jahre alte Syed Mustufa H. im Juli 2016 in Deutschland verhaftet wurde, berichteten nur wenige Medien darüber. Dabei war die Angelegenheit überaus brisant, denn dem Pakistaner wird nicht weniger vorgeworfen, als einen israelfreundlichen deutschen Politiker bespitzelt zu haben. Der Sozialdemokrat Reinhold Robbe saß von 1994 bis 2005 als Abgeordneter im Deutschen Bundestag und war von 2010 bis 2015 Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG). Die Bundesanwaltschaft (BAW), die für die strafrechtliche Verfolgung von Spionage in der Bundesrepublik zuständig ist, vermutet, dass H. von den iranischen Revolutionsgarden – genauer gesagt: von deren Eliteeinheit Quds – auf Robbe angesetzt wurde. Die Pasdaran genannten Revolutionsgarden sind eine paramilitärische Organisation, der im Iran ein eigenes Wirtschaftsimperium gehört. Die Quds-Einheit ist für Operationen im Ausland zuständig.
Schon lange ist bekannt, dass der Iran im Ausland geheimdienstlich tätig ist. Dort beobachtet das Land vor allem iranische Oppositionelle und versucht, deren politisches Engagement zu unterbinden, auch in Deutschland. Gelegentlich fliegen dabei Agenten des Regimes auf. So verurteilte im Juli des vergangenen Jahres das Berliner Kammergericht einen 32jährigen Iraner zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft. Dem Urteil zufolge hatte der Mann seit 2012 in Köln und Berlin vor allem die militante Oppositionsbe­wegung »Volksmujahedin Iran« (MEK) und deren politischen Arm, den »Na­tionalen Widerstandsrat Iran«, ausspioniert. Im Oktober 2015 war er schließlich fest­genommen worden. Bereits im September 2003 hatte dasselbe Gericht einen damals 65jährigen wegen Spionage ebenfalls zu einer Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren ver­urteilt. Es sah es als erwiesen an, dass der Deutsch-Iraner von 1991 bis 2003 im Auftrag des Geheimdienstes Vevak mehrere in Deutschland lebende, dem Regime politisch nicht genehme Iraner ausgespäht und dafür einen Agentenlohn erhalten hatte.
Ein Novum ist allerdings, dass nicht nur die exiliranische Opposition bespitzelt wird, sondern auch ein proisraelischer deutscher Politiker. Auf Syed Mustufa H. war zuerst der Verfassungsschutz aufmerksam geworden. Er ließ den Mann beobachten und wandte sich schließlich an die BAW. Diese erhob vor wenigen Tagen Anklage gegen den Pakistaner wegen des dringenden Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit. Der Beschuldigte, der in Bremerhaven Ingenieur­wesen studierte und am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bremen arbeitete, habe mindestens seit 2011 Kontakt zu einem Iraner gehabt, der für nachrichtendienstliche Tätigkeiten in Europa zuständig sei, heißt es in einer Erklärung der Behörde. ­Spätestens seit Juli 2015 habe H. Robbe gegen Be­zahlung ausspioniert. 

Es ist ein Novum, dass nicht nur die exiliranische Opposition bespitzelt wird, sondern auch ein proisraelischer deutscher Politiker.

Er habe zudem einen französisch-­israelischen Professor an einer Hochschule in Paris bespitzelt, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Ihr zufolge geht die Bundesanwaltschaft davon aus, dass »sämtliche Spionagetätigkeiten von Syed Mustufa H. darauf ausgerichtet gewesen waren, Ziele für mögliche Anschläge gegen Einrichtungen und Personen mit Israel-Bezug in Deutschland, Frankreich und anderen euro­päischen Ländern auszukundschaften«. Im Zuge dessen interessierte sich H. nach Angaben der BAW insbesondere für die Wegstrecke, die Robbe von seiner Wohnung zum Sitz der DIG in Berlin-Mitte nahm. Auch das Gebäude, in dem sich die Geschäftsstelle der Organisation befindet, hat der mutmaßliche Spion demnach begutachtet. Die Behörden nähmen an, so die Süddeutsche Zeitung, dass der Iran »im Falle von israelischen Luftschlägen gegen iranische Atomanlagen mit Anschlägen auf Institutionen und Personen, die Israel eng verbunden sind, Vergeltung geübt hätte«.
Der SPD-Politiker Robbe hätte also im Auftrag des Iran zum Ziel eines Attentats werden können. »Ich habe das nicht gewusst, nicht einmal geahnt«, sagte er der Jüdischen Allgemeinen. Sollte sich vor Gericht herausstellen, dass es tatsächlich solche Anschlagsplanungen gab, dann habe das »eine neue Qualität«. Robbe fordert deshalb eine Reaktion der Bundesregierung: »Nicht weil ich so bedeutend wäre, sondern weil es wieder einmal zeigt, welchen Charakter das Regime in ­Teheran hat.« Die Regierung, deren Kanzlerin Angela Merkel die Sicher­heit Israels bekanntlich als »Teil der deutschen Staatsräson« bezeichnet, hat sich jedoch noch nicht zu der Angelegenheit geäußert. Auch Robbes Partei hüllt sich bislang in Schweigen. Es gibt keine Solidaritätsadresse der Sozialdemokraten, nicht einmal eine Erklärung.
Womöglich sind der Regierungs­koalition, an der die SPD bekanntlich beteiligt ist, ihre wirtschaftlichen ­Beziehungen zum iranischen Regime wichtiger. Nach dem Atomabkommen von Wien im Sommer 2015 konnte es der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) jedenfalls kaum ­erwarten, gemeinsam mit einer Wirtschaftsdelegation nach Teheran zu ­reisen, um dort milliardenschwere Geschäfte anzubahnen. An Ort und Stelle wollte er mit den »Freunden« – also jenem Regime, das der Hauptfinanzier des weltweiten Terrorismus ist – auch »offen und partnerschaftlich und respektvoll über schwierige Themen sprechen«. Eines dieser »schwierigen ­Themen«, über das Gabriel »partnerschaftlich« zu plaudern gedachte, war die Existenz des jüdischen Staats. Darauf ließen sich seine iranischen Gastgeber allerdings gar nicht erst ein, weil es für sie ausgeschlossen war – und ist –, die Vernichtung Israels von ihrer Agenda zu streichen.
Konsequenzen zog Gabriel daraus nicht. Überaus zurückhaltend reagiert die Bundesregierung auch auf Verfassungsschutzberichte, denen zufolge der Iran weiterhin versucht, in Deutschland illegal an Material für Nuklearwaffen und Trägerraketen zu kommen, mit denen die Sicherheit Israels in höchstem Maße gefährdet werden könnte. Nun kommt zur Atomspionage also auch noch ein Fall von politischer Spionage, der demnächst vor Gericht verhandelt werden soll. Es ist fraglich, ob sich die Bundesregierung doch noch entschließt, Stellung dazu zu beziehen, dass das antisemitische Regime im Iran über sein Pläne zur Auslöschung des jüdischen Staats hinaus offenbar auch israelfreundliche Politiker und Einrichtungen in Deutschland zum potentiellen Angriffsziel er­klärt hat.