In Rumänien gibt es Proteste gegen die Aufweichung der Antikorruptionsgesetzgebung

Straffrei schmieren in Rumänien

Zehntausende demonstrierten in diversen rumänischen Städten erneut gegen Korruption und die Pläne der neuen sozialdemokratischen Regierung, Gesetze zur Bekämpfung solcher Vergehen zu lockern.

Die rumänischen Protestierenden werden nicht müde. Kurz nach den Parlamentswahlen im Dezember 2016 und der Ernennung von Sorin Grindeanu zum Ministerpräsidenten am 4. Januar sind in größeren rumänischen Städten den zweiten Sonntag in Folge Zehntausende Menschen auf die Straßen ­gegangen. Ihr Protest richtet sich weiterhin gegen die Korruption in Politik und Verwaltung. Auslöser der Proteste war diesmal der unverfrorene Versuch der von der Sozialdemokratischen Partei (PSD) geführten Regierung, die ­Antikorruptionsgesetze zu lockern und eine Änderung des Strafrechts per ­Eilverordnung zu erwirken – vorbei an Parlament und Präsident.
Die erneuten Proteste gegen die Regierung offenbaren ein Paradox der ­rumänischen Politik: Erst im Dezember hatte die PSD die Wahlen gewonnen und fast eine absolute Mehrheit im Parlament erhalten. Ein Ergebnis, das für Verwunderung sorgte, denn erst im November 2015 war die von der PSD geführte Regierung als Reaktion auf Massenproteste zurückgetreten und hatte eine weitgehend parteiunabhängige Übergangsregierung eingesetzt. An der allgegenwärtigen Korruption in den Parteien und der Verwaltung, die bereits als Ursache der Proteste 2015 galt, änderte sich allerdings wenig. Immerhin konnte die Staatsanwaltschaft aber mehrere Verfahren gegen führende Politiker einleiten und die Arbeit der Antikorruptionsbehörde wurde gestärkt.
Dass die PSD trotzdem im Dezember 2016 wiedergewählt wurde, lag unter anderem an einer sehr geringen Wahlbeteiligung. Besonders die Wählerinnen und Wähler der nationalliberalen Partei (PNL), der Präsident Klaus Johannis angehört, waren in großer Zahl der Wahl ferngeblieben. Johannis war 2014 mit dem Versprechen angetreten, die Korruption zu bekämpfen, und hatte sein Image als rumäniendeutscher Saubermann genutzt, um im Wahlkampf diejenigen für sich zu gewinnen, die von den Zuständen im Land frustriert sind. Johannis’ dilettantischer Regierungsstil und sein zum Markenzeichen ­gewordenes Stillschweigen haben viele ernüchtert und damit zur sehr geringen Wahlbeteiligung beigetragen. Vor allem seine Untätigkeit bei vorherigen Korruptionsskandalen und Ungereimtheiten in seiner eigenen Ver­mögenserklärung lösten Zweifel aus.
Der Machtkampf zwischen Regierungsparteien und der Antikorruptionsbehörde dauert seit Jahren an und lässt sich auf die Vorteilnahme der jeweiligen Regierung zurückführen. So verwundert es nicht, dass vor allem der Generalstaatsanwaltschaft und die ­Antikorruptionsbehörde heftige Kritik am Vorgehen der PSD übten. Die beiden Behörden gelten auch der Zivilgesellschaft als vertrauenswürdig und als effektiv bei der Korruptionsbekämpfung. Dank ihnen wurden in den vergangenen Jahren Hunderte Beamte und Politiker wegen Korruption und Vetternwirtschaft verurteilt. Die Dreistigkeit, mit der Gesetze geändert werden sollen, um bestimmte Personen vor Anklageerhebung und Strafverfolgung zu schützen, bezeichnet der Generalstaatsanwalt Augustin Lazăr als »einfach peinlich«. Die Pläne seien zu ­deutlich darauf ausgerichtet, bestimmte Personen zu bevorzugen.
Die von der Regierung geplanten Gesetzesänderungen zwürden insbesondere Amtsmissbrauch straflos stellen, wenn der Schaden unter umgerechnet 50 000 Euro bleibt. Diese Verordnung zielt fraglos auf eine Aussetzung der Ermittlungen gegen den PSD-Vorsitzenden Liviu Dragnea ab. Er steht derzeit wegen Amtsmissbrauchs mit einem Schaden von umgerechnet 25 000 Euro vor Gericht. Dragnea will Regierungschef werden. Daran hindert ihn ein Gesetz, das verurteilten Straftätern den Zugang zu Ämtern verwehrt, denn Dragnea wurde 2015 wegen Wahlbetrugs zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. So verwundert es nicht, dass das hinderliche Gesetz per Eilverordnung abgeschafft werden soll. Außerdem sieht die Eilverordnung vor, wegen Korruption verurteilte Personen zu amnestieren. Das würde nicht nur eine Haftentlassung mehrerer Politiker ermöglichen, sondern diese dürften auch das illegitim eingenommene Geld behalten. Justizminister Florin Iordache, ebenfalls Mitglied der PSD, unterstützte die Pläne zur Amnestie mit Verweis auf die überfüllten Gefängnisse.
Vorerst konnten die Eilverordnungen durch eine Intervention des Präsidenten Johannis abgewendet werden. Dieser nahm an der Sitzung des Regierungskabinetts teil und vereitelte mittels Anwesenheit der Presse das schnelle und heimliche Durchwinken der Verordnungen. Die Lockerung der Antikorruptionsgesetze per Eilverordnung hat den Vorteil, dass die Regierung ohne Mitwirkung und Zustimmung von ­Parlament und Präsident vorgehen kann. Auch bei späterer Rücknahme der Verordnungen durch das Parlament hätten diese unumkehrbare Folgen. Die Durchsetzung dieser Änderungen im Strafrecht würde das in den vergangenen zehn Jahren mühsam erkämpfte Minimum an Korruptionsbekämpfung zerstören und die Arbeit der Anti­korruptionsbehörde zunichtemachen.
Insgesamt wird der Ton in der rumänischen Politik schärfer. Der Konflikt zwischen dem Präsidenten und der ­Antikorruptionsbehörde einerseits und der Regierung andererseits spitzt sich zu. Der Teilnahme des Präsidenten an den Protesten gegen die Regierung am 22. Januar folgten verbale Ausfälle einiger regierungsnaher Politiker. Der ­Vizepräsident der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), Koalitionspartner der PSD, beschimpfte die Demonstranten als Nazis, der PSD-Vorsitzende Dragnea unterstellte Johannis wegen seiner Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration sogar den Willen zum Staatsstreich. Die PSD hat ein Amtsenthebungsverfahren gegen Johannis angekündigt. Der Prä­sident hatte auf der Großdemonstration am vorvergangenen Sonntag ein Referendum für die Fortsetzung des Kampfs gegen die Korruption versprochen. Von weiten Teilen der Zivilgesellschaft wird Johannis dafür beklatscht, auch wenn Zweifel an der Durchsetzungsfähigkeit des Politikers bleiben.
In welche Richtung sich Rumänien unter der derzeitigen Regierung ent­wickeln soll, zeigen auch die zuletzt von der PSD angekündigten Referenden: Zum einen soll die Immunität Johannis’ aufgehoben, zum anderen die gleichgeschlechtliche Ehe abgeschafft werden. Was keinerlei direkten Zusammenhang erkennen lässt, offenbart doch eine Tendenz, die in anderen osteuro­päischen Ländern wie Polen und Ungarn zu beobachten ist: Antidemo­kratische Regierungsmaßnahmen gehen einher mit einem Rechtsruck, der vor allem von der ländlichen und älteren Bevölkerung mitgetragen wird, der immer mehr aber auch bei sehr jungen Menschen Anklang findet.