Der neue serbische Präsident Vučić hat nicht gerade progressive Vorbilder

Autokraten und EU-Bürokraten

Der designierte serbische Präsident Aleksandar Vučić ähnelt in seinem Machtanspruch seinem türkischen Amtskollegen. Der EU gilt er jedoch als Stabilitätsgarant.
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Manchmal haben Autokraten eine beruhigende Wirkung auf Journalisten. Wenn schon im Voraus klar ist, wer die Wahlen gewinnt, muss man nicht auf die Verkündung des Wahlergebnisses warten, um dann hektisch vor Redaktionsschluss Texte anzupassen. Das gilt beispielsweise für Nordkorea, Russland und den SPD-Sonderparteitag. Am Wochenende galt dies auch für Serbien. Niemand zweifelte daran, dass der bisherige Ministerpräsident Aleksandar Vučić die Präsidentschaftswahl am Sonntag gewinnen würde. Interessant wird es erst nach der Wahl. Denn eigentlich hat der Präsident in Serbien nicht viel zu sagen. Er wird zwar direkt von der Bevölkerung gewählt, hat aber kaum Einfluss auf die Gesetzgebung. Wer nun glaubt, dass Vučić nach seiner Wahl zum Präsidenten seine bisherige Macht abgeben will, der kennt den Zweimetermann schlecht. Er dürfte einen willfährigen Gefolgsmann präsentieren, der den Posten des Ministerpräsidenten übernimmt.

So ähnlich läuft es in Russland, wo beim Tandem Wladimir Putin und Dmitrij Medwedjew jedem klar ist, wer Koch und wer Kellner ist. So läuft es auch in der Türkei, wo Recep Tayyip Erdoğan im August 2014 von Ministerpräsident auf Präsident umsattelte und Binali Yıldırım als Regierungschef installierte, der bislang nicht durch einen eigenen Willen aufgefallen ist. Manchmal erstreckt sich die beruhigende Wirkung von Autokraten auch auf EU-Bürokraten und deutsche Politiker. Während die Bundesrepublik, von Demokraten über Erdoğan-Fans bis hin zu Türkenhassern, gespannt auf das Referendum über die Präsidialdiktatur in der Türkei blickte, wurde Vučić von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin zum Staatsbesuch empfangen und gelobt.

Vučićs Serbische Fortschrittspartei (SNS) ist nun auch Mitglied der Gruppe der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europarat und kooperiert dort mit den deutschen Unionsparteien. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung bildet derweil den Parteinachwuchs für Vučić aus. Merkel lobte die Reformbemühungen in Serbien. Über die Gängelung von Presse, Justiz und Opposition wurde nicht öffentlich gesprochen. Vielmehr gilt Vučić als Verfechter wirtschaftsliberaler Reformen und einer EU-Integration Serbiens. Außerdem kooperiert er in der europäischen Flüchtlingsabwehr und gilt als Garant der Stabilität in der Region.

Einst wurde auch über Erdoğan so gesprochen. Auch der türkische Autokrat hat in Deutschland und der EU kaum Anstoß erregt, als er noch türkische Journalisten ohne deutschen Pass inhaftierte und den Deutschen keine Nazimethoden vorwarf. Die EU und Deutschland haben kein Problem mit Autokraten, solange diese nach ihrer Pfeife tanzen, und Aleksandar Vučić tut das.

Seine Macht fußt weniger auf seinem Amt als vielmehr auf weitverzweigten Netzwerken. Die SNS hat heutzutage mehr Mitglieder in Serbien als die Kommunistische Partei zu Zeiten Titos. Wenn man Minderjährige und Diaspora herausrechnet, ist fast jeder zehnte Serbe Mitglied der Partei. Das hat viel mit Klientelismus und wenig mit politischen Überzeugungen zu tun. Wer einen Job möchte, tut gut daran, das Parteibuch der SNS sein Eigen zu nennen. Vučić dürfte versuchen, seine Macht als Präsident auszubauen. Wer weiß, vielleicht gibt es bald auch in Serbien ein Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems.