Der Bombenanschlag auf die Mannschaft von Borussia Dortmund macht die Ermittlungen schwer

Drei Bomben und viele Fragen

Der Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund hätte tödlich ausgehen können. War er die Tat von Jihadisten, Antifaschisten, Hooligans, Nazis oder Mafiosi? Einige Vermutungen klingen zumindest unwahrscheinlich.

Eines steht inzwischen fest: Die Bomben hatten eine hohe Sprengkraft. Wären sie nur eine Sekunde früher gezündet worden, wäre ihre Wirkung wohl schlimmer gewesen. Angaben der Polizei ­zufolge hätte es Tote geben können. Solange die Täter von Dortmund auf freiem Fuß sind, besteht eine hohe Anschlagsgefahr. Angesichts der schlechten Informationslage ist allerdings völlig ungewiss, gegen wen sich ein weiterer Angriff überhaupt richten könnte.
Zunächst sah alles nach einem schönen Fußballabend aus. Ein Flutlichtspiel gegen den AS Monaco im Viertelfinale der Champions League – entsprechend ausgelassen war die Stimmung der Dortmunder Anhänger im heimischen Stadion am Dienstag vergangener ­Woche. Als die Vereinsleitung des BVB auf Twitter meldete, es habe einen »Vorfall« am Mannschaftsbus gegeben, dachten sich viele Fans im »Signal-­Iduna-Park« zunächst nichts dabei. Doch dann wurden die Meldungen konkreter: Eine Bombe war am Bus explodiert, Verteidiger Marc Bartra verletzt. Um 20.30 Uhr wurde das Spiel abgesagt und später für den nächsten Tag erneut ­angesetzt. Die Fans verließen gefasst das Stadion. Auf dem Vorplatz sahen sie Bereitschaftspolizisten mit Maschinenpistolen.
In der Nacht gab die Dortmunder ­Polizei eine erste Pressekonferenz: Drei Bomben waren in der Nähe des BVB-Busses explodiert, kurz nachdem er das gut zehn Kilometer vom Stadion entfernte Mannschaftshotel verlassen hatte. Zudem stand für die Polizei bereits fest, dass es sich tatsächlich um die Explosion von Bomben und nicht nur ­einiger großer Böller gehandelt hatte. Auch von einem Bekennerschreiben, das am Tatort abgelegt worden sei, sprach die Dortmunder Staatsanwaltschaft.

Die Täter haben Sprengstoff verwendet, der aus Beständen der Bundeswehr stammen könnte.

Tags darauf wurde publik, dass sich in dem mutmaßlichen Bekennerschreiben Islamisten zu dem Anschlag bekannt hatten. Die Generalbundesanwaltschaft übernahm die Ermittlungen. Das Schreiben am Tatort war nicht das einzige. Am späten Dienstagabend war auf »Indymedia linksunten« ein weiteres vermeintliches Bekennerschreiben veröffentlicht worden, »verfasst von: Antifa«. Wenige Tage nach dem Anschlag ging in der Redaktion des Tagesspiegels eine E-Mail ein, in der sich mutmaßliche Nazis zu der Tat bekennen. Doch alle Schreiben werfen Fragen auf. Das Schreiben vermeintlicher Jihadisten enthält seltsame Sprachfehler, die wirken, als seien sie bewusst eingestreut worden. Auch ist die Rede von »Merkel« und ihren »Untertanen«, was nicht unbedingt dem Sprachgebrauch von Islamisten entspricht. Dass diese ein Ende der Anschläge versprechen, sobald der US-Stützpunkt Ramstein geschlossen und die Tornado-Einsätze in Syrien beendet würden, erscheint zweifelhaft. Mittlerweile gehen die Ermittlungsbehörden deshalb eher davon aus, dass dieses Schreiben bewusst in die Irre führen sollte. 
Für das Bekenntnis vermeintlicher Antifaschisten gilt Ähnliches. Dort heißt es, die Bombe habe dem BVB gegolten, weil der Verein nicht genug ­gegen Nazis unternehme. Die Botschaft ist durchsetzt von absurden Gender-Wortkreationen wie »Mensch_innen« oder »Nazi_innen«. Höchstwahrscheinlich handelt es sich um einen amateurhaften Denunziationsversuch von rechtsextremer Seite. Auch die Bundesanwaltschaft hält das Schreiben für unglaubwürdig. Im Bekenntnis, das beim Tagesspiegel einging, bezieht sich der Verfasser auf Adolf Hitler, empört sich über »Multikulti« und spricht eine »letzte Warnung« aus, für deren Nichtbeachtung er ankündigt, es werde auf den Demonstrationen gegen den AfD-Parteitag in Köln am Wochenende »buntes Blut« fließen. Der Duktus ist hier zwar authentischer als in den anderen Fällen. Einschlägiges Täterwissen gibt der Urheber jedoch nicht preis, weswegen die Behörden einräumen, es könnte sich auch um die Botschaft eines Trittbrettfahrers handeln.
Ein Anschlag, drei wenig glaubhafte Bekennerschreiben – noch mehr Fragen werden dadurch aufgeworfen, dass die Täter nach Polizeiangaben schwer zu beschaffende militärische Zünder und Sprengstoff verwendet haben, der aus Bundeswehrbeständen stammen könnte. Die Ermittler sollen derzeit hauptsächlich einem möglichen rechtsextremen Hintergrund des Anschlags nachgehen. Denn auch Sprengstoff, der 1998 beim späteren NSU-Kerntrio gefunden wurde, soll aus Bundeswehrbeständen entwendet worden sein. 
Thesen, denen zufolge entweder BVB-Hooligans aus Wut auf die Vereinsführung gehandelt oder ostdeutsche ­Hooligans den Anschlag als Racheakt für Angriffe auf Anhänger des RB Leipzig verübt haben könnten, sind eher abwegig. Diese Klientel will Prügel austeilen, keine Attentate planen und verüben. Einer weiteren zirkulierenden These zufolge könnte die organisierte Kriminalität für den Anschlag verantwortlich sein. Beim Fußball geht es um viel Geld und es könnte Organisationen geben, die ein Interesse an einer Schwächung des BVB haben. Eine heiße Spur in diese Richtung gibt es jedoch nicht.