Nachruf auf Ruben Eberlein

Homestory #20/2017

Homestory Von

Vier Seiten, fünf Kontinente, unzählige Themen – für das Auslandsressort der Jungle World stellt sich jede Woche die Frage: Was ist wichtig? Und wer kann darüber schreiben? Von Anfang an hat die Jungle World Wert auf eine Berichterstattung über Afrika gelegt, die sich nicht in den gängigen Klischees über den »schwarzen Kontinent« erschöpfen sollte.

Denn ja, die meisten Menschen dort sind arm, es gibt korrupte Diktatoren und finstere Warlords, gierige westliche Konzerne und verlogene Entwicklungshelfer, die vor allem an die Auftragsbücher der heimischen Industrie denken. Doch ein genauerer Blick lohnt sich, denn Afrika ist weder ein großes Dorf der Hoffnungslosen noch, wie es in jüngerer Zeit manchmal heißt, ein gigantisches Start-up-Unternehmen, dem zum Wohlstand nur noch ein paar wirtschaftsliberale Reformen mehr fehlen.

So war es ein Glück für die Jungle World, dass wir im Jahr 2000 Ruben Eberlein als Autor gewinnen konnten, einen Afrikanisten mit analytischem Blick und journalistischem Talent, der genauer hinschaute. Da kommt man nicht vorbei an Armut, korrupten Dik­tatoren, finsteren Warlords, gierigen westlichen Konzernen und verlogenen Entwicklungshelfern, die nunmehr vor allem an die Flüchtlingsabwehr denken. »Deutschland und die EU beweisen, dass sie für die Abwehr der Migration bereit sind, über Leichen zu ­gehen. Sollten je Skrupel bestanden haben, mit Machthabern zusammenzuarbeiten, die ihre Bevölkerung durch Terror in Schach halten, sind diese nun endgültig aufgegeben worden«, kommentierte Ruben im Juni vorigen Jahres. Die Afrikanerinnen und Afrikaner ernst zu nehmen, bedeutet, ihnen zuzuhören, was Ruben oft getan hat, solange es ihm noch möglich war, in Afrika zu reisen. »Nach einigen Versuchen, den Bus wieder in Gang zu bringen, geben wir es auf. ›Das soll nun die Entwicklung sein, die sie uns versprechen? Guck dir diese Straße an!‹ verschafft sich jemand Luft. Ein anderer belehrt ihn, Entwicklung bedeute vor ­allem Investitionen, und die fehlten nun mal. Nein, nein, heißt es darauf: Entwicklung, das sei genug zu essen, ein Haus, Bildung, sauberes Wasser, Strom und eben befahrbare Straßen, auch zur Regenzeit. All das lässt auf sich warten, drei Jahre nach Ende des Bürgerkrieges«, berichtete er aus Sierra Leone.

Es bedeutet nachzufragen und zu untersuchen. Ruben interessierte sich insbesondere für die Herrschaftsverhältnisse in Afrika – und für die Möglichkeiten ihrer Überwindung, die ohne Analyse nicht möglich ist. Wie funktioniert die informelle Ökonomie, oder, in Rubens Worten: »Was haben ein fliegender Trinkwasserverkäufer in Nairobi, eine Marktfrau in Conakry und ein junger Mann, der in einer handwerklich betriebenen Raffinerie im Nigerdelta gestohlenes Rohöl aufbereitet, gemeinsam?« Artikeln in Wochenzeitungen wird oft eine kurze Halbwertzeit zugesprochen, nicht immer, aber in Rubens Fall ganz sicher zu Unrecht.

»Der Grund dafür, dass die Parallelwirtschaft in Afrika derart verbreitet ist, liegt im Charakter des Staats und in den Interessen der herrschenden Oligarchie. Wie der Politikwissenschaftler Jean-François Bayart beschreibt, akkumulieren die Machthaber vor allem Ressourcen, die von außen, von jenseits des Kontinents kommen. Er nennt dieses Phänomen Extraversion. Das können Einkünfte aus Rohstoffverkäufen, Konzessionen für Bergbauunternehmen, Einnahmen aus der Entwicklungshilfe oder Kredite sein. Diese ­Zuflüsse sind das Fundament ihrer Herrschaft.

Dieser Umstand zieht nach sich, dass die Machthaber kein Interesse daran haben, ihre Untertanen auszubeuten oder wirksam zu besteuern. Ein Teil der Finanzen, die in den Händen der Oligarchen landen, wird in die Pflege von patrimonialen Netzwerken oder auch hin und wieder in öffentliche Projekte investiert, was garantieren soll, dass sie auch nach der nächsten Wahl an externen Zuflüssen teilhaben können. Diese Dynamik verhindert eine effektive Modernisierung der Landwirtschaft und den Aufbau einer Industrie – denn wer an den Schalthebeln der Politik sitzt, ist finanziell bestens versorgt«, schrieb Ruben vor dreieinhalb Jahren. Zwei Absätze, die Ihnen auch in absehbarer Zukunft treffend erklären können, wie im globalisierten Kapitalismus Klientelismus und Korruption in Afrika funktionieren.

Ruben stand unserer Redaktion nahe, jenseits der Arbeit und jenseits von Afrika haben viele von uns mit ihm diskutiert und palavert, gelacht und gefeiert. Er starb am 7. Mai. Die Jungle World hat einen bedeutenden Autor und einen guten Freund verloren. Wir werden ihn vermissen.