20 JAHRE Israelsolidarität: Das Unverständnis über linke Israelfreunde

The Freakshow must go on

Linke, die Israel gut finden? Das ist vor allem für Linke außerhalb Deutschlands völlig unverständlich. Antideutsche gelten ihnen meist als psychisch gestörte Freaks.

Israelsolidarische Linke bleiben gerne unter sich. In Abgrenzung zum anti­zionistischen Mainstream von ganz links bis ganz rechts hat sich ein Netzwerk von Einzelpersonen, Aktivistengruppen, Publikationen und Veranstaltungsorten gebildet, das sich als ­Community begreift und sich politisch mehr oder weniger im antideutschen Bereich verortet. Die Entstehung einer solchen Szene wäre ohne die Jungle World kaum denkbar gewesen.

Von Anfang an verstand sich die Zeitung als Gegenmodell zum antizionistischen, von antisemitischen Projektionen geprägten linken Diskurs im wiedervereinigten Deutschland. Durch die israelsolidarische Berichterstattung wollte man aber nicht nur linke Debatten verändern. Früher als andere thematisierte die Jungle World, dass sich moderner Antisemitismus weniger in offenem Judenhass artikuliert als vielmehr subtiler, etwa in sogenannter Israelkritik, die in Politik, Medien und Gesellschaft allgegenwärtig ist.

Die Frage, welche Auswirkungen die Kritik an diesem israelbezogenen Antisemitismus in den vergangenen 20 Jahren hatte, ist nicht einfach zu beantworten. Zumindest, wenn man den linkszionistischen safe space nicht verlässt.

Wer schon einmal versucht hat, Menschen aus nichtdeutschen und/oder nichtakademischen Kreisen das Verhältnis der antideutschen Linken zu Israel zu erklären, mag es vielleicht festgestellt haben: Die Geschichte der linken Israelsolidarität war und bleibt eine, die – mit wenigen Ausnahmen, wie etwa den Texten von Benjamin Weinthal, dem Europa-Korrespondenten der Jerusalem Post – von Deutschen für Deutsche erzählt wird.

Das heißt aber nicht, dass es nicht immer wieder auch außerhalb des deutschen Diskurses Versuche gegeben hätte, die Existenz linksradikaler zionistischer Positionen zu erklären. Weil die Erklärungen meist aus einer traditionell linken, also antizionistischen Perspektive geschrieben sind, wird die Solidarität mit Israel entweder als Ausdruck des absolut Perversen angesehen, das es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt, oder sie wird als eine Art psychische Störung der deutschen Linken pathologisiert. Das Stereotyp des von seiner Vergangenheit verfolgten Deutschen, der auch Generationen nach dem Holocaust nicht in der Lage sei, sein Verhältnis zu Israel zu »normalisieren«, dominiert in dieser Erzählung: die Antideutschen als linke Freaks.

»Guilt-ridden Germans and traumatized Jews alike faced the question – does ›never again‹ mean ›never again‹ for some people or for everyone?«, schrieb etwa der US-amerikanische Singer-Songwriter und Palästina-Aktivist David Rovics 2013 in einem »offenen Brief an die deutsche Linke«, nachdem ein Konzert von ihm in Freiburg von Antideutschen abgesagt worden war.

Solche Briefe bekommt die deutsche Linke in regelmäßigen Abständen. Zuletzt kam einer von der britischen ­Feministin Laurie Penny, die im vergangenen Jahr während ihrer Deutschland-Lesetour für ihre Unterstützung der antisemitischen BDS-Kampagne kritisiert worden war. Sie geht zwar nicht so weit wie Rovics, Juden mit Nazis zu vergleichen, aber auch sie schiebt linke Israelsolidarität in den Bereich des Irrationalen: »I can see how Germans of good conscience would feel deep discomfort at refusing to eat an Israeli avocado (…). There is simply too much history, too recent and too bloody, for that to be a neutral choice to make. If I were German, I would certainly feel the same«, so Penny.

Es gibt viele weitere Beispiele, wie israelsolidarische Positionen in, aber vor allem außerhalb von Deutschland immer wieder für inkompatibel mit einem progressiven Weltbild erklärt werden. Eine ideologiekritische Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus in der Linken und die Forderung nach einem solidarischen Verhältnis zu Israel bleibt in Zeiten des weltweiten islamistischen Terrors, des europa­weiten Erstarkens regressiver Kräfte, völkischer Querfronten und neurechter Bewegungen eine Priorität.

Die Suche nach Verbündeten in diesem Kampf für eine freie Gesellschaft ist unerlässlich. Es ist kompliziert, denn es bedeutet, konfrontativ zu werden. Vielleicht hört dann jemand außerhalb der Komfortzone antideutscher Ideologiekritik ja zu.