Das Dogma des Antizionismus
Das Kernstück der antizionistischen Ideologie der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) war die Behauptung, Israel habe sich durch das Bündnis mit dem US-amerikanischen Imperialismus in einen faschistischen beziehungsweise rassistischen Staat verwandelt. Der Sechstagekrieg wurde von der SED als israelischer Aggressions- und Eroberungskrieg betrachtet, obwohl die ägyptische Führung schon Wochen zuvor mit der Vernichtung Israels gedroht hatte.
Nach dem Sechstagekrieg verschärfte die SED ihre Propaganda gegen Israel. Albert Norden, Historiker und Sohn eines Rabbiners, war im Politbüro der SED zuständig für Agitation, er hatte die Aufgabe, die Presse der DDR zu vereinheitlichen. Er forderte am 9. Juni 1967 Werner Lamberz, den Leiter der ZK-Abteilung Agitation und ehemaligen Zögling der »Adolf-Hitler-Schule«, auf, dafür zu sorgen, dass in den Medien der DDR das militärische Vorgehen der Israelis auf eine Stufe mit dem Überfall der Nazis auf die Sowjetunion gestellt werde. Lamberz drängte daraufhin in der wöchentlich stattfindenden »Argumentationssitzung« die Chefredakteure dazu, dies zu verbreiten.
Die Erfurter SED-Bezirkszeitung Das Volk schrieb bereits am 21. Februar 1967 in einem Artikel über die Situation im Nahen Osten von einer »Sonderform des hebräischen Sozialfaschismus«. Ein Kommentator des Radios Stimme der DDR sprach am 12. Oktober 1973 von der »Nazi-Luftwaffe Israels«. Ende März 1978 beschrieb die Nachrichtenagentur ADN die Situation im Nahen Osten so: »Die Juden – einst Opfer – wurden zu Henkern, und es scheint, als gingen die Zionisten jetzt auf die gleiche Weise vor wie einst die Nazis. Heute sind es die Juden, die unterdrücken und ausrotten und die Palästinenser sind die Opfer. (…) Natürlich weichen die Verfahrensweisen voneinander ab, weil die Umstände andere sind. Die Zionisten verwenden keine Verbrennungsöfen (…), ihnen genügen Napalm, Kriegsflugzeuge, Kriegsschiffe und Armee-Einheiten«. Die Tageszeitung Neues Deutschland titelte 1982 nach den Kämpfen in den palästinensischen Flüchtlingslagern in Beirut, als militärische Einheiten christlicher Milizen Hunderte Kinder, Frauen und Männer töteten: »Israel betreibt die Endlösung der Palästina-Frage.« In der außenpolitischen Wochenzeitung Horizont wurden 1982 nicht nur die Ereignisse in Beirut mit den Nazi-Massakern von Lidice und Oradour gleichgesetzt, es wurde sogar behauptet, die Israelis verübten dort einen »von langer Hand vorbereiteten Holocaust«. Die NVA-Zeitschrift Volksarmee verglich das Vorgehen der israelischen Armee mit »den Verbrechen deutscher Faschisten im Zweiten Weltkrieg und des US-Imperialismus in Vietnam«.
Es blieb nicht bei der propagandistischen Unterstützung der Feinde Israels. Das SED-Politbüro beschloss zwei Jahre nach dem Sechstagekrieg, am 7. Oktober 1969, die Vorbereitung eines Einsatzes von ostdeutschen Freiwilligenverbänden gegen Israel. Anlass dafür war ein Schreiben des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), Leonid Breschnew, an Erich Honecker, Erich Mielke, Heinz Hoffmann und Walther Ulbricht, in dem er die Aufstellung von Verbänden von Freiwilligen als Flieger, Panzerführer und Kampfgruppen zur Unterstützung arabischer Truppen im Krieg gegen Israel forderte. Wahrscheinlich aus außenpolitischen Erwägungen kamen solche Verbände allerdings nie zum Einsatz.
Doch bereits seit 1967 lieferte die DDR Waffen und militärisches know-how an Ägypten, Syrien und die PLO. Ende Oktober 1973 lieferte die DDR im Rahmen der »Geheimoperation Aleppo« zwölf Abfangjagdflugzeuge MiG-21 an Syrien; dazu 62 mittelschwere Panzer vom Typ T-54 AM mit Munition, 300 Panzerbüchsen RPG-7, 74 500 Granaten und 30 000 Panzerminen.
Antizionismus wurde spätestens mit dem Sechstagekrieg im Juni 1967 auch zu einer zentralen Position vieler linker Gruppen und der meisten linken Parteien weltweit; das stärkte auch den Führungsanspruch der KPdSU und in ihrem Gefolge die SED. Mit ihren engen Kontakten zu den arabischen Feinden Israels präsentierte sie nicht nur ihre globale antiimperialistische Ideologie als Ausdruck ihres angeblichen Überblicks über das große Ganze des Weltgeschehens, sondern glänzte auch mit der Weitergabe von Waffentechnik. Gegen Israel war den Strategen im sowjetischen Geheimdienst KGB und dem Geheimdienst der DDR, dem MfS jeder Verbündete willkommen, solange er nur das antizionistische Dogma teilte.