Homestory #25

Wenn Sie Geburtstag feiern, können Sie sich nach der Party, dem Einsammeln der Geschenke, den analogen und digitalen Dank­sagungen für die Glückwünsche sowie gegebenenfalls der Einnahme von Kopfschmerztabletten the day after erstmal entspannen. Bei uns ist das leider nicht so. Denn dem Geburtstag folgten diverse Veranstaltungen, so dass am Freitagabend eine schwere Entscheidung anstand: Lieber zum Konzert von Jewdyssee in den Neuen Berliner Kunstverein oder zur Diskussionsveranstaltung ins Kreuzberger »Clash«? Bei den Linken Buchtagen Berlin wollten wir in diesem Jahr wieder dabei sein und präsentierten »Donald Trump und die Politik der USA« mit Gästen aus sozialen Bewegungen: Michelle Wenderlich berichtete unter anderem von den Protesten in Standing Rock, Tadzio Müller vom Kampf für Klimagerechtigkeit. Das Verhältnis von Jungle World und »Bewegungslinken« gilt ja als schwierig, entgegen anderslautenden Gerüchten bewegt sie sich aber doch, die Jungle World. Jedenfalls nutzten auch Redakteure die knappe Zeit zwischen dem Ausklang der Veranstaltung im Biergarten vor dem »Clash« und der Konferenz »#HowDeepIsYourLove. On the State of the German-Israeli Relations«, um sich an der Demonstration gegen die »Identitären« zu beteiligen. Kaum war dann am Montag und Dienstag die Schlussproduktion bewältigt, folgte die Lesung mit Enno Stahl. Falls Sie nicht dabei sein konnten: Ein Auszug aus seinem Roman »Spätkirmes« findet sich in der Ausgabe 24. Nicht dabei sein zu können, ist oft ein Problem für Menschen, die nicht in Berlin und Umgebung leben. Aber wir haben den Ruf erhört und wagen uns am 22. Juli sogar in die Nähe des Stickstoffdioxidkessels Stuttgart, genauer gesagt nach Esslingen ins »Komma Kultur« zur Veranstaltung »Bye-bye Westen?«, wo wir »Auf der Suche nach emanzipatorischen Konzepten gegen Rassismus, Nationalismus, Islamismus und Antisemitismus« sein werden. Umso erfreulicher ist es, wenn wir in diesen anstrengenden Zeiten beschenkt werden. Unser besonderer Dank gilt daher der ­Leserin aus Mannheim, die uns zum Jubiläum mit einer Flasche »Yarden«-Wein erfreute.

»Bye-bye Nüchternheit« ist hier ja ein beliebtes Motto. Natürlich erst nach Feierabend, schließlich muss die Weltlage weiterhin aufmerksam beobachtet werden und bedeutende Events anderer Veranstalter stehen an. Anfang Juli findet in Hamburg der G 20-Gipfel statt, vielleicht auch unter dem informellen Motto »Bye-bye Westen«. Für einige Gipfelgegner, die vorsorglich Bahnanlagen ­sabotierten, gilt offenbar das Motto »Bye-bye ÖPNV«. Oder war alles ganz anders? Verschwörungstheorien sind bei uns ja verpönt. ­Dafür gibt es gute Gründe, und doch ist es hin und wieder reizvoll, nach bizarren Ereignissen das cui bono? zu prüfen. Waren es wirklich Linksradikale, die eine »kurze Unterbrechung der Reibungslosigkeit« bewirken wollten? Schafft die Deutsche Bahn nicht selbst mühelos lange Unterbrechungen der Reibungslosigkeit? Und wem nützt es, wenn nun ausnahmsweise nicht über die Unfähigkeit des Managements sowie die Folgen der Privatisierungs- und Spar­politik geschimpft wird? Doch so verdächtig die Parole »Probieren, scheitern. Erneut probieren, besser scheitern« nach Deutscher Bahn klingt und so verführerisch die These ist, diese habe nur von eigenem Versagen ablenken wollen – dann wäre das Bekennerschreiben sicher nicht so pünktlich erschienen.