Der autoritär regierende Präsident Rodrigo Duterte auf den Philippinen ist nach einem Jahr im Amt noch immer populär

Der Mann mit dem Streichholz

Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte ist seit einem Jahr im Amt. In seinem Land genießt er trotz oder wegen drastischer Maßnahmen großen Rückhalt. Die Menschenrechtslage ist besorgniserregend.

Das erste Amtsjahr des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte hat im Ausland einen katastrophalen Eindruck hinterlassen. Immer wieder brüskierte Duterte Politiker anderer Länder, Institutionen wie die EU und den Papst. Mehr als 40 Nationen äußerten im Mai Besorgnis über die Menschenrechtssituation auf den Philippinen, als die turnusmäßige Überprüfung des Landes vor den Vereinten Nationen anstand. Vor allem der anhaltende »Krieg gegen die Drogen«, in dessen Rahmen Duterte die Tötung von Kriminellen forderte, erregt auch Kritik. Grund zur Besorgnis liefert auch die Situation im Westen Mindanaos, wo der »Islamische Staat« (IS) seit dem 23. Mai Gebiete der Innenstadt von Marawi unter Kontrolle hält (Jungle World 24/2107). Auf den Philippinen ist die Wahrnehmung hingegen eine andere. Der Präsident erhält von allen Bevölkerungsschichten, vor allem aber von der Oberschicht, hohe Zustimmungswerte für seine Politik.

Vom 1. Juli 2016 bis zum 6. Juni 2017 gab es 61 592 Antidrogenoperationen der Polizei, bei denen 82 607 Personen verhaftet und 3 116 ermordet wurden.

Groß war die Hoffnung nach seiner Wahl, dass Duterte als erster Präsident aus Mindanao den seit zwei Jahrzehnten zäh verlaufenden Friedensprozess mit der dort operierenden islamistischen Moro Islamic Liberation Front (MILF) abschließen könne. Doch statt den Prozess voranzutreiben, verspricht die Regierung Duterte eine landesweite Föderalismusreform, ohne genauere Konzepte zu präsentieren. Kritiker befürchten, dass diese Reform die Clanstrukturen in den entlegenen Regionen festigen und der erhofften Selbstverwaltung der muslimischen Bevölkerungsmehrheit, Moros genannt, im Westen Mindanaos entgegenstehen könnte. Der Stillstand im Friedensprozess sowie die weiterhin angespannte wirtschaftliche Situation vieler Moros führen zu einer wachsenden Unzufriedenheit im Süden des Landes. Beobachter berichten, dass seit gut zwei Jahren vermehrt frustrierte Jugendliche in den Städten der Region von radikalen muslimischen Gruppen rekrutiert werden. Gleichzeitig, so schreiben Felix Heiduk und Jann Preisendörfer von der Stiftung Wissenschaft und Politik, schaffe es die Abu-Sayyaf-Gruppe (ASG) unter Isnilon Hapilon, verschiedene Splittergruppen unter dem Banner des IS zu organisieren. Viele dieser Gruppen haben sich von der MILF abgewandt und noch weiter radikalisiert. Lagen den bisherigen Konflikten nicht zuletzt die ungerechte Land- und Ressourcenverteilung zu Ungunsten der Moros zugrunde, gelingt es dem IS nun anscheinend, sich territorial zu etablieren.

Duterte begleitet den Kampf um Marawi mit markigen Worten, doch das philippinische Militär ist für einen Guerillakampf nicht ausgerüstet. Sechs Wochen nach Ausrufung des Kriegsrechts konnten die Regierungstruppen – trotz Bombardierungen durch die Luftwaffe – Marawi nicht zurückerobern. Duterte sagte vergangene Woche, er nehme die Ermordung von Zivilisten in Kauf, um den IS niederzuschlagen. Was diese Aussagen für das brüchige Vertrauensverhältnis zwischen den Moros und der philippinischen Regierung bedeutet, ist noch nicht abzusehen.

Doch Duterte genießt weiterhin den Rückhalt von Polizei, Teilen des Militärs und der orthodoxen Linken. Mit Liza Maza (Armutsbekämpfung), Rafael Mariano (Landwirtschaft) und Judy Taguiwalo (Soziale Wohlfahrt) sind weiterhin drei linke Ministerinnen und Minister im Kabinett vertreten, obwohl sie gleich mehrfach brüskiert wurden: durch die Aussetzung der Friedensverhandlungen mit der Kommunistischen Partei der Philippinen und der maoistischen New People’s Army, durch die Umbettung des ehemaligen Diktators Ferdinand Marcos auf den Heldenfriedhof, durch den »Krieg gegen die Drogen« sowie die Ausrufung des Kriegsrechts in Mindanao.
Hingegen wurde die ebenfalls dem linken Block zuzuordnende Bergbaugegnerin Regina Lopez nach knapp einjähriger Amtszeit als Umweltministerin nicht von der zuständigen Kongresskommission, der Commission on Appointments, bestätigt und verlor ihr Amt.

Duterte hatte ihr kurz nach seiner Wahl in Begleitung von Pressevertretern scherzhaft den Posten angeboten, konnte dies aber nach ihrer Zusage nicht mehr zurücknehmen. Lopez ist im Land ein Medienstar, ihre Familie besitzt den wichtigen Fernsehsender ABS/CBN. Sie genießt die Unterstützung der vom Bergbau betroffenen Gemeinden und der sozialen Bewegungen. Ihr gelang es, die soziale Frage mit dem Problem der negativen ökologischen Auswirkungen des Rohstoffabbaus zu verknüpfen und zu einem zentralen Thema zu machen. Zum Verhängnis wurde Lopez ihr Tatendrang. Sie ließ alle Bergbauprojekte im Land überprüfen und stellte eklatante Mängel fest. Daraufhin wurden 75 Abbaulizenzen in Wasserschutzgebieten entzogen und die Schließung von 21 Minen wurde angeordnet. Der Großteil der Nickelproduktion im weltweit wichtigsten Förderland hätte eingestellt werden müssen. Ihre Politik führte zu Konflikten im Kabinett, da einige Bergbaukonzerne zu den Unterstützern Dutertes gehörten. So hält Finanzminister Carlos Dominguez III Beteiligungen an Bergbaufirmen. Dominguez gehört dem Wirtschaftsflügel des Kabinetts an und organisierte den Widerstand gegen Lopez. Ihr Nachfolger ist der ehemalige Generalstabschef der Armee, Roy Cimatu. Er ist der achte ehemalige Armeeangehörige in einem höheren Regierungsamt. Umweltgruppen befürchten eine erneute Eskalation der Bergbaukonflikte. Duterte dürfte bei der Ernennung eher eine strategische Machtabsicherung interessiert haben.

Derweil geht der »Krieg gegen die Drogen« weiter. Human Rights Watch berichtet, dass seit dem Amtsantritt Dutertes am 1. Juli 2016 mindestens 7 000 mutmaßliche Drogenkonsumenten und Dealer ermordet wurden. Die meisten Opfer lebten in den städtischen Slums, so dass auch von einem »Krieg gegen die Armen« gesprochen wird.

Das philippinische Dangerous Drugs Board (DDB) dokumentierte von 2002 bis 2015 jährlich zwischen 2 464 (2010) und 8 189 (2003) schwere Drogenverstöße. Trotz eines leichten Anstiegs der Werte seit 2010 stehen diese in keiner Relation zu den jüngsten Zahlen, die die philippinische Polizei veröffentlicht: Vom 1. Juli 2016 bis zum 6. Juni 2017 gab es 61 592 Antidrogenoperationen der Polizei, bei denen 82 607 Personen verhaftet und 3 116 ermordet wurden. Mehr als 1,3 Millionen Menschen stellten sich freiwillig den Behörden. Angesichts von schätzungsweise 1,9 Millionen illegalen und 900 000 legalen Waffen im Land entwickeln sich die Philippinen zu einem Pulverfass – und der Mann mit dem brennenden Streichholz ist Präsident.