Der Hass auf die radikale Linke nach den G20-Protesten

Deutschland räumt auf

Das Inbrandsetzen einiger Autos wird zu »faschistischer Gewalt«, randalierende Autonome werden zu »Nazi­schlägern« erklärt. Die entgleiste Rhetorik in der Diskussion über den Gipfelprotest offenbart den Hass auf die letzten Reste der radikalen Linken in Deutschland.

Für Ordnung wird gesorgt. Das von der Zeit betriebene Blog »Störungsmelder« hat verlautbart, man werde sich von zwei ehrenamtlichen Autoren trennen, wegen deren »Verharmlosung oder Rechtfertigung von Gewalt« im Zug der Gipfelproteste. Gemeint ist jedoch nicht die Polizeigewalt, die die Lage in Hamburg erst eskalieren ließ. Gemeint sind einige in Brand gesetzte Autos, eingeschlagene Fensterscheiben und ein geplünderter Supermarkt. Diese auf einen Stadtbezirk begrenzten Ausschreitungen, die sich nicht von vorhergegangenen gewalttätigen Protesten in Deutschland unterscheiden, lassen deutsche Politiker und Publizisten kollektiv durchdrehen.

Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz nannte die Randalierer »Mordbrenner«, obwohl in Hamburg kein einziger Mensch ermordet wurde – was übrigens ein großes Glück war. Schließlich beschossen Wasserwerfer Menschen auf Hausdächern und nahmen so lebensgefährliche Stürze in Kauf. Die Polizei setzte zudem maßlos Tränengas ein, das empfindlichen oder erkrankten Menschen einen qualvollen Erstickungstod bescheren kann.
Für Peter Altmaier (CDU), den Chef des Bundeskanzleramts, war der »linksextreme Terror in Hamburg so schlimm wie der Terror von Rechtsextremen und Islamisten«. Für Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) unterschieden sich die Randalierer und ihre Taten »überhaupt nicht von Neonazis und deren Brandanschlägen«. Mehrere CDU-Politiker fordern, die Behörden sollten linke Zentren wie die bekannte Rote Flora in Hamburg schließen. Gemeinsam mit Kollegen von der SPD haben sie angeregt, europaweit Datenbanken über »gewaltbereite Linksextreme« einzuführen.

Geht die Politik derart zielstrebig voran, möchten Kollegen aus den Medien offenbar nicht nachstehen. Ulf Poschardt schrieb in der Welt über »die neue faschistische Gewalt der Linken – und ihrer Freunde«. Er kam zu dem Schluss: »Das Schwarze verbindet Faschisten, den IS und die Autonomen. Errichtet wurde eine Kathedrale der Angst.« Die Autonomen hätten »Hamburg in eine Bürgerkriegslandschaft verwandelt«. Frank Lübberding deutete die Ereignisse in der FAZ zum »faschistoiden Gewaltrausch« um. Der Europa-Korrespondent des Wiener Standard, Thomas Mayer, schrieb auf Twitter, die Autonomen erinnerten ihn an »Nazischläger«. Kurz zuvor hatte er noch getweetet, er finde Nazivergleiche bei Erdoğan und Ungarn »völlig daneben«. Bild druckt unterdessen munter Fahndungsfotos mutmaßlicher Randalierer und bittet die Bevölkerung zur Denunziation. In den Onlineforen der Zeitungen und auf Facebook tobt sich das Volksempfinden aus und produziert sadistische Bestrafungsphantasien. Und manch verwirrte Antideutsche verwenden mittlerweile Polizeiabzeichen als Profilbilder auf Facebook.

Wenn Politikerinnen und Journalisten sich damit brüsten, nicht zwischen Faschismus und dessen Gegenteil sowie zwischen Randale und Terrorismus unterscheiden zu können, mag das in Einzelfällen wohl tatsächlich der Unfähigkeit geschuldet sein. Bei der Mehrheit von ihnen dürfte es aber eher daran liegen, dass sie endlich eine Gelegenheit gekommen sehen, mit den Resten der radikalen Linken im Land aufzuräumen. Die völlig entgleiste Rhetorik, die verrückten Vergleiche, die wütende Verfolgungslust – all das lässt auf einen Hass auf alle schließen, die die herrschenden Zustände nicht als die bestmöglichen akzeptieren wollen.