Die indische Präsidentschaftskandidatin Meira Kumar hat es weit gebracht

Ohne berühren

Porträt Von

Als Frau und als Angehörige der Dalits – oft auch als »Unberührbare« oder »Kastenlose« bezeichnet – ist man in Indien meist doppelt gestraft. Obwohl es in Indien rund 200 Millionen Dalits gibt und seit den fünfziger Jahren verschiedene affirmative action-Programme der Regierungen, schaffen es die wenigsten von ihnen, der Armut zu entkommen, und sie werden immer noch häufig diskriminiert. Meira Kumar hätte es also sehr schwer haben können, doch ihre Eltern hatten schon etwas Vorarbeit geleistet. Ihre Mutter war die Unabhängigkeitskämpferin Indrani Devi und ihr Vater Jagjivan Ram, ehemaliger stellvertretender Premierminister und wichtiger Kämpfer für die Rechte der Dalits. Kumar konnte gute Schulen besuchen, studierte Jura und trat 1975 in den diplomatischen Dienst ein. Später ging sie in die Politik und wurde 1985 zum ersten Mal als Abgeordnete in das indische Parlament, die Lok Sabha, und 2009 zu dessen erster weiblicher Sprecherin gewählt. Zuvor war sie fünf Jahre lang Ministerin für soziale Gerechtigkeit und Empowerment in der Regierung Manmohan Singhs von der Kongresspartei.

Für die Kongresspartei sowie weitere Oppositionsparteien trat sie bei den Wahlen am Montag als Präsidentschaftskandidatin an. Die 72jährige appellierte an die Mitglieder des Wahlgremiums, auf ihr »inneres Gewissen« zu hören. Im »Kampf der Ideologien« sollten sie sich für diejenige von »sozialer Gerechtigkeit, Inklusivität, Säkularismus, Transparenz, Meinungs- und Pressefreiheit, Armutsreduzierung und der kompletten Abschaffung des Kastensystems« entscheiden, die Indien verbinde. Schön wäre das, doch als Präsidentin Indiens hätte Kumar nur repräsentative Aufgaben. Ohnehin werden ihrem Konkurrenten Ram Nath Kovind, der für die hindunationalistische Partei BJP antritt, weitaus größere Chancen eingeräumt. Zum ersten Mal stehen sich damit zwei Dalit-Kandidaten gegenüber; hinter den Nominierungen vermuten viele aber nur wahltaktische Entscheidungen, schließlich ist die Wählergruppe der Dalits enorm groß. Die Kongresspartei gilt als korrupte Struktur zum Machterhalt einiger Familienclans, die Hindunationalisten wiederum schüren den Konflikt zwischen Hindus und Muslimen. An Diskriminierung und mangelnden Aufstiegschancen wird es wohl auch mit einem Dalit-Präsidenten weiterhin nicht fehlen.