»Eleven Songs for a Girl« von Zwanie Jonson

Hinter dem Spektakel

Zwanie Jonsons drittes Soloalbum ist von einer Gelassenheit geprägt, die selten geworden ist.

Zwanie Jonson lebt in Hamburg und ist einer jener Künstler, die als Session- und Livemusiker mit so ziemlich jedem schon zusammengearbeitet haben – nur eben im Hintergrund. Eine unbekannte Szenegröße. DJ Koze gefiehl die Musik, die Jonson machte: ein bisschen Gitarre, ein bisschen Disco, alles im stillen Kämmerlein aufgenommen, Feelgood-Pop für den Eigenbedarf sozusagen. »Ja, das ist so ziemlich die ganze ­Geschichte. Und zwar mit Einleitung, Hauptteil und Schluss«, sagt Zwanie Jonson, lacht, und man ahnt: Hier steckt nicht mal im Detail der Teufel. »Das ist meine kleine Welt, eine ­Story gibt es nicht. Ich bin Drummer und habe damit mein Geld verdient; auch in Bands, von denen ich nicht begeistert war. Aber nur Schlagzeuger zu sein, ist ja auch langweilig.«

Jonsons Karriere als Sidekick begann Mitte der Neunziger, als Die Fantastischen Vier seine Hamburger Acid-Jazz-Gruppe DisJam als Begleitband mit auf Tour nahmen. »Das war damals in, HipHop meets echte Band.« Man spielte sich bis ins Vorprogramm von U2 und fand sich auf einigen großen Festivalbühnen ­wieder. Von da weiter zu Fettes Brot, noch ein bisschen familiärer, aber auch ein bisschen größer. »Es war schön, aber auch am Rande des Wahnsinns«, sagt Jonson. Sein musikalisches Rezept ließe sich am besten als unaufdringliche Effizienz beschreiben. »Ich bin ja kein Schlagzeuger, der mit Technik arbeitet. Ich bin eher ein Wald-und-Wiesen-Drummer. Ich kann viel, aber ich bin kein House-Drummer, kein Drum’n’Bass, ich bin Backbeat!«

Der Legende nach rührt der Künstlername des Mannes, der als Christoph Kähler geboren wurde, aus längst vergangenen Zeiten. In seinen Anfangstagen als Musiker habe Zwanie sich angeblich von allen engagieren lassen, die ihm einen Zwanziger zusteckten. In D-Mark-Zeiten, versteht sich, und man ahnt, dass das Leben im Hamburg der achtziger und neunziger Jahre anders war, ­angenehmer vielleicht. So manch ein Künstler konnte sich mit wenig durchschlagen, als Bohemien in der Elbstadt zu leben, war möglich. »Manchmal macht man Sachen für wenig, weil es passt, manchmal eben für viel Geld, obwohl sie egal sind. Irgendwann wollte ich mich dann um meine eigene Musik kümmern und mich ein Stück weit selbstverwirklichen.« Große Pläne von Karriere und Berühmtheit sehen anders aus.
Die Gruppen Butter, Veranda Music und schließlich sein Soloprojekt, das auch ein Szeneprojekt ist, sind die Stationen, bei denen Zwanie Jonson seinen eigenen musikalischen Ausdruck sucht und das Produktionshandwerk perfektioniert. Gemeinsam mit dem Hamburger Label Buback veröffentlicht DJ Kozes Label Hoobert 2007 das Debüt »It’s Zwanie­time«. Einem Publikum, das über seine bis dato kleine und feine Fangemeinde hinausgeht, wird er 2015 durch den Film »Victoria« bekannt. Ein paar coole Typen und eine junge Spanierin rasen durch die Berliner Nacht, zweieinhalb Stunden Rausch, Ekstase, Verbrechen – das ganze in einem Take gefilmt. Im Club: Zwanie Johnsons »Golden Song« in einem Remix von DJ Koze, der aus dem wunderbar einfachen Gitarrenlick einen zwischen Melancholie und ­Euphorie changierenden Hit gemacht hat. Hatte Jonson diesen Schachzug geplant und sich zur rechten Zeit geschickt ins Spiel gebracht, wie es Künstler heutzutage häufig zu tun versuchen? Sebastian Schipper, der Regisseur des gefeierten Films, ist ein alter Kumpel Jonsons. So einfach ist das.

Schipper ist auch auf »Eleven Songs for a Girl« präsent, dem dritten Album von Zwanie Jonson. Er schrieb in den Neunzigern im gemeinsamen Urlaub in Portugal ein Lied, »aber das war alles super Britpop-mäßig. Der Text war toll, der Song eher so hmm. Aber ich hatte dieses andere Playback und habe dann beides zusammengefügt«. 20 Jahre später wird »Heavy Sea« zum Opener eines sonnigen Disco-Pop-Albums, dessen Songs ohne Prätention entstanden sind. Die Un­aufgeregtheit gehört zum Programm, von ihrer Genialität sind andere überzeugt: »Ich hatte meine Soul-Vorbilder, Marvin Gaye zum Beispiel. Verglichen mit dem war ich natürlich furchtbar. Bis man so etwas erkennt, müssen Jahre vergehen. Und dann diese ganze Technik – klar, Abi habe ich gemacht, gelernt habe ich aber nichts und mir alles selbst beigebracht.« Jonsons Studioarbeit ist von Spontaneität und Gelassenheit geprägt: »Ich nehme sehr viel auf, auch erste Ideen, die ich dann miteinander kombiniere. Dann schnurrt man mit zwei Bier was ins Mikro rein oder setzt sich anders hin und plötzlich hat man was, das genau sitzt.«

Diese entspannte Atmosphäre in Jonsons Studio zog in den vergangenen Jahren immer mehr Künstler an, die sich von ihm produzieren ließen: Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen, Zimt, zuletzt arbeitete er mit Andreas Dorau zusammen und hinterließ auf dessen Album »Die Liebe und der Ärger der Anderen« musikalische Spuren, die sich bis in Jonsons eigene Songs verfolgen lassen. Diese eine Melodie ist auch wirklich schön genug, sie auf gleich zwei kurz hintereinander erscheinenden Alben zu verwenden – und sehr unterschiedliche Stimmungen zu erzeugen. »Am Horizont brennen Häuser und am Hafen steh’n die Schleuser«, singt Dorau. Jonson kontert mit einfacher Romantik: »Be my girl ­tonight, be my girl tonight.« Derzeit arbeiten Dorau und Jonson an einem Projekt namens Der Refrain. Es geht um – Refrains, um Songs, die ohne Strophen auskommen. Kein Track ist länger als eine Minute.

»Eleven Songs for a Girl« wird seine Hörerinnen und Hörer gut durch warme Sommernächte bringen. »Ich habe auch eine Schublade mit deprimierenden Songs. Aber die sind zu traurig, um sie zu veröffentlichen. Mir gefallen Lieder mit Aufbruchstimmung, wo es losgeht, auch so heiliger Kram mit Chören, zwischen ­berührt und glücklich.« Jonsons Ansatz, zugleich das Naiv-Authentische zu bemühen und sich bei großen ­Popentwürfen zu bedienen, führt auf seinem Album zu einigen Hymnen für die Verliebten und Gelassenen dieser Welt.

Zwanie Jonson: Eleven Songs for a Girl (Staatsakt)