Terrobekämpfung in der EU

Linguistik gegen Terror

Die Terrorismusbekämpfung in der Europäischen Union soll gestärkt werden. Ein gemeinsamer europäischer Geheimdienst könnte diese Aufgabe übernehmen.

Immer wieder wird ein »europäisches FBI« gefordert. Jüngst war es der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, der sich für eine solche Behörde einsetzte, die »bei schweren Gewalttaten, so wie hier (in Hamburg, Anm. d. Red.), bei terroristischen Gewalttaten, grenzüberschreitend tätig werden kann«. Neu ist an dieser Forderung lediglich, dass die Steinewerfer aus dem Schanzenviertel derselben sicherheitspolitischen Kategorie zugeordnet wurden wie die salafistischen Massenmörder vom Breitscheidplatz, der Manchester Arena und dem Bataclan. Die Pläne für einen europäischen Geheimdienst schlummern schon seit längerem in den Schubladen von think tanks und parlamentarischen Ausschüssen. Nach Terroranschlägen werden sie in Kommentarspalten und Experteninterviews der Öffentlichkeit präsentiert.

Die jüngsten Debatten über diese Idee gehen wohl weniger auf die Ereignisse in Hamburg als auf jene in Mossul zurück. Seit der »Islamische Staat« (IS) die wichtigste von ihm beherrschte Stadt verloren hat, wird befürchtet, dass Hunderte – wenn nicht Tausende – kampferprobte Islamisten nach Europa kommen. Auf der Suche nach geeigneten Institutionen zur Bewältigung dieser Herausforderung wird immer häufiger eine europäische Superbehörde ins Spiel gebracht, die nachrichtendienstliche Erkenntnisse aller 28 (ab 2019 dann 27) Mitgliedstaaten bündeln und sich möglicherweise selbst auf die Jagd nach Bombenbastlern zwischen Algarve und Ostpreußen begeben soll. Präziser wird das Projekt selten beschrieben. Die Anspielung auf das Vorbild in den USA soll verdeutlichen, dass auf eine diffuse Gefahr mit einer suprastaatlichen Machtdemonstration reagiert werden soll.

Auch wenn der Fall Anis Amris gezeigt hat, dass die Kooperation europäischer Nachrichtendienste verbesserungswürdig ist, gehört die Forderung nach neuen Behörden eher zu den populistischen Schnellschüssen. Ein derartiges Unterfangen würde aus praktischen und politischen Gründen scheitern, urteilt der französische Sicherheitsexperte Claude Moniquet, der selbst 20 Jahre lang als Agent für den französischen Auslandsgeheimdienst DGSE tätig war. Da wäre allein schon das Problem der Personalbeschaffung. »In der Regel dauert es fünf bis sieben Jahre, einen Nachrichtendienstoffizier auszubilden«, sagt Moniquet im Gespräch mit der Jungle World. Alternativ könnte Personal aus bestehenden Diensten abgezogen werden. Probleme gäbe es bei beiden Varianten: Entweder man schwächt die nationalen Geheimdienste oder man wartet, bis die Behörde in frühestens sieben Jahren einsatzfähig ist. Zudem dürfte sich die Finanzierung eines europäischen Geheimdiensts schwierig gestalten.

Viel zentraler – und ungleich anspruchsvoller – ist die Identifikation eines Aufgabenfeldes. »Die jihadistische Bedrohung betrifft nur einige der EU-Länder, wie Frankreich, Deutschland, Belgien, das Vereinigte Königreich.« Die baltischen Länder, Polen oder Tschechien aber würden abwinken. »Unser Problem sitzt in Moskau«, fasst Moniquet deren Haltung zusammen. Am Ende wäre die Terrorismusbekämpfung der kleinste gemeinsame Nenner. Doch sollte diese außerhalb der EU stattfinden, dürfte das Projekt wohl ebenso an nationalen Befindlichkeiten scheitern wie die gemeinsame Verteidigungspolitik.

Doch wie mit einer Gefahr umgehen, die sich bereits auf europäischem Boden befindet? Moniquet und weitere Sicherheitsexperten plädierten Anfang Juli in Brüssel für Besonnenheit. Die bereits praktizierte Kooperation zwischen Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten aus Italien, Belgien, Deutschland und Frankreich habe sich als erfolgreich erwiesen. »Das ist schwer zu vermitteln, weil es große Anschläge gab. Gleichzeitig haben wir aber in den letzten Jahren 30 bis 40 größere Anschläge verhindert und Tausende Menschenleben gerettet«, so Moniquet. Bilaterale Kooperationen könnten weiter gestärkt werden, wenn es in Europa eine einheitliche Antiterrorgesetzgebung geben würde. »Wir haben bereits ein höchst effizientes europäisches Instrument: Den europäischen Haftbefehl«, so Moniquet. Habe man in der Vergangenheit einen deutschen Terroristen in Frankreich festgenommen, so konnte die Auslieferung bis zu zwei Jahre dauern. »Heute sind es nur noch drei Monate.«

Für eine Vereinheitlichung der Begriffe auf europäischer Ebene spricht sich der Sicherheitsberater des französischen Präsidenten, François Heisbourg, aus. Bevor über rechtliche oder institutionelle Schritte beraten werde, sollten europäische Politiker aufhören, von den Jihadisten zu reden, als wären sie Gleichgestellte. »Im Umgang mit dem Islamischen Staat ist von Kämpfern die Rede, von Widerstand und einem Staat. Doch es sind keine Kämpfer, sondern Terroristen. Das sind edle Begriffe, die wir ihnen nicht zugestehen sollten«, so Heisbourg.
Schon allein über die Sprachregelung könne dem salafistischen Projekt seine Attraktivität und Legitimität entzogen werden. Den Rekrutierern in den Moscheen würde die Arbeit erschwert, ohne Geld in Überwachung und Strafverfolgung zu investieren. »Auch wenn es in der Zeit nach Terroranschlägen schwerfällt: Machen wir nicht so viel Aufhebens um diese Typen und ihre Taten«, so Heisbourg.