Im rheinischen Braunkohlerevier heißt es ab Ende August wieder: »Ende Gelände«

Ultimatum für die Braunkohle

Ab Ende August wollen Umweltschützer in Nordrhein-Westfalen in verschiedenen Formen gegen die weitere Nutzung der Braunkohle protestieren.

Die Stichworte lauten Kraftwerke, Kohlendioxid, Waldrodung, Tagebau, Klimawandel – Umweltschützerinnen und Umweltschützer rufen für Ende August zu einem Besuch im Rheinland auf, um dem Abbau im dortigen Braunkohlerevier symbolisch ein Ende zu bereiten.

Spricht man über Braunkohle im Rheinland, kommt man nicht um den Energiekonzern RWE herum. Seit 2003 betreibt dessen Tochterunternehmen, die RWE Power AG, den gesamten Tagebau im Rheinland. Noch immer ist Braunkohle in Deutschland, neben den erneuerbaren Energien, mit 150 Terrawattstunden im Jahr eine der Hauptquellen der Stromversorgung. Nach Informationen des Umweltbundesamts ist der jährliche Ausstoß von Kohlendioxid seit 1990 lediglich um 60 Millionen auf 306 Millionen Tonnen gesunken. Ein baldiger Ausstieg aus der Braunkohleverstromung ist nicht in Sicht. Dabei werden allein von den fünf Braunkohlekraftwerken im rheinischen Braunkohlerevier jährlich 80 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen.

Die RWE Power AG will die Kraftwerke bis 2045 betreiben. So lange gilt auch die Abbaugenehmigung für den Tagebau. Einen mächtigen Befürworter hat der Konzern in der Landesregierung Nordrhein-Westfalens. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte vor der Wahl im Mai, dass eine von ihm geführte Regierung die Betriebsdauer bis 2045 nicht in Frage stellen werde. Der Koalitionspartner FDP will den Abbau von Braunkohle ebenfalls weiter fördern. Aber auch die abgewählte rot-grüne Landesregierung unter Hannelore Kraft (SPD) genehmigte Ausweitungen des Tagebaus Hambach.

Dabei ist der Hambacher Forst ins Zentrum der Auseinandersetzung zwischen Braunkohlegegnern, RWE und Landesregierung gerückt. Der einst mit 5 500 Hektar größte Wald Nordrhein-Westfalens ist mittlerweile auf ein Zehntel seiner ursprünglichen Fläche geschrumpft. Gegen die weitere Rodung setzen sich seit über fünf Jahren Umweltschützerinnen und Umweltschützer ein, die sich dem Konzern mit Barrikaden, Besetzungen und militantem Vorgehen entgegenstellen. Besonders hitzig wird es von Oktober bis März, dann beginnt die Rodungssaison, in der RWE bis zu 80 Hektar abholzen will. Im Februar 2017 – zum Ende der Saison – setzten deshalb etwa 1 200 Umweltschützer unter dem Slogan »Wald statt Kohle« eine symbolische rote Linie an der alten Autobahnstrecke A 40. Anfang April forcierte auch das Bündnis »Ende Gelände« wieder den Protest im Rheinland. Etwa 100 Personen blockierten die Bahngleise im Kölner Stadtwald, um einem Zug die Durchfahrt zum Kraftwerk Merkenich zu versperren, das aus dem rheinischen Braunkohlerevier versorgt wird.

In den kommenden Wochen wird, wie bereits 2015, auch der Tagebau Garzweiler Gegenstand des Protests sein. Schon diesen Freitag soll das jährliche »Klimacamp im Rheinland« am Lahey-Park nahe Erkelenz beginnen. Dort wollen »Menschen verschiedener sozialer Kämpfe und Bewegungen zusammenkommen, um neue Perspektiven emanzipatorischer Politik zu entwickeln«, wie es im Aufruf zum »Connecting Movements Camp« heißt.

Ab Donnerstag nächster Woche soll über fünf Tage in verschiedenen Formen dem Braunkohleabbau symbolisch ein Ende gemacht werden. So auch wieder bei der Aktion »Rote Linie gegen Kohle« am Tagebau Hambach, die von bekannten Organisationen wie Greenpeace unterstützt wird. Neben dem rheinländischen Klimacamp beteiligt sich auch die BUND-Jugend mit einem eigenen »Camp for Future« an den Protesten. Dieses soll vor allem für junge Menschen ein Anlaufpunkt werden. Die Organisation will die Aktion »Rote Linie« unterstützen und eine Fahrradtour unter dem Motto »Tour de Future« um den Tagebau Hambach veranstalten.

Für die Koordinierung des Polizeieinsatzes ist die Aachener Behörde zuständig. Sie steht den Protesten skeptisch gegenüber. Anfang August richtete sich der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach mit einem Videostatement an die Öffentlichkeit. »Friedlicher Protest und militanter Widerstand, das passt nach meinem Verständnis nicht zusammen«, sagte er. Diese Äußerungen dürften bei den Braunkohlegegnern für Irritiationen gesorgt haben, denn bislang hat das Bündnis »Ende Gelände« lediglich zivilen Ungehorsam angekündigt. Wenn man sich an die Proteste 2016 in der Lausitz erinnert, könnte Weinspach mit seiner Äußerung das Blockieren von Baggern und Kraftwerken gemeint haben. Freuen dürften sich aber militante Braunkohlegegner, denn dass ein Polizeipräsident Militanz als eine Form des Widerstands anerkennt, ist die Ausnahme. In seinem Appell kündigte Weinspach zudem an, dass die Polizei »auf Deeskalation und Kommunikation« setze. Die Protestierenden wollen ihn beim Wort nehmen.

Derweil verstärkt RWE das Sicherheitspersonal für die Zeit der Klima­proteste auf eine nicht bezifferte Zahl. In der Vergangenheit hat sich der Konzern in dieser Hinsicht bei den Besetzerinnen und Besetzern einen schlechten Ruf erarbeitet. Vor zwei Jahren, als es zuletzt Massenproteste im Rheinland gab, habe »die Staatsgewalt im Verbund mit privaten Sicherheitsbediensteten derart brutal« agiert, dass der »gesamte Einsatz in den Medien zerrissen wurde und ein Sicherheitsmann in einem anonymen Interview gar sagte, er sei selbst von der Brutalität der eigenen Leute erschrocken gewesen«, heißt es von »Ende Gelände«. Bezüglich der Proteste Ende August wird erneut eine enge Zusammenarbeit von Polizei und RWE erwartet.

Bei RWE bemüht man sich trotz des europaweit höchsten Kohlendioxidausstoßes um ein positives Image. Das Unternehmen bietet Besuche im Tagebau an und spricht über den Braunkohleabbau, als handle es sich um ökologischen Fortschritt. Demnach leiste »die rheinische Braunkohle einen unverzichtbaren Beitrag zur Energiewende«, heißt es auf der Homepage im Werbesprech. Dabei wurde RWE und seinen Aktionären erst bei der Jahreshauptversammlung Ende April ein Ultimatum gestellt. »Ende Gelände« forderte von dem Konzern bis zum 23. August die Stilllegung der Tagebaue und Kraftwerke. Seitdem tickt auf der Homepage des Bündnisses unter www.ende-gelaende.org für den Konzern der Countdown – am Mittwoch nächster Woche steht er auf null.

»Das Zeitfenster, in dem wir die schlimmsten Auswirkungen der globalen Erwärmung verhindern können, schließt sich rapide«, sagte Insa Vries, die Pressesprecherin von »Ende Gelände«. Sie teilte RWE mit: »Wenn Sie die Frist verstreichen lassen und bis zum 23. August die Tagebaue und Kraftwerke nicht stilllegen, werden wir es tun. Denn dann ist Ende im Gelände.«

Auch aus der Wissenschaft kommt Unterstützung. Hans Joachim Schellnhuber, der Gründer und Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, sagte den Potsdamer Neuesten Nachrichten mit Blick auf das Pariser Klimaabkommen: »Nur mit einem vollkommenen Ausstieg aus der Kohle ist das Ziel von maximal zwei Grad Erd­erwärmung bis Ende dieses Jahrhunderts zu erreichen.«