Wie die Automatisierung die Arbeitsbedingungen im Hamburger Hafen verändert

Container und Kontrolle

Die globale Schiffahrt steckt in der Krise. Im Hamburger Hafen wird die Automatisierung dennoch munter vorangetrieben. Die Beschäftigten warnen seit längerem vor den Plänen der Betreiber.

»Ohne die Bereitschaft zur Veränderung und die Fähigkeit zur Innovation wird der Hamburger Hafen seinen Platz im Wettbewerb der europäischen Seehäfen nicht behaupten können«, warnte Angela Titzrath in einem betriebsinternen Schreiben vom 13. April an die »lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des HHLA-Konzerns«. Die seit Januar amtierende Vorstandsvorsitzende der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) schrieb weiter: »Unsere noch vorhandenen Stärken garantieren nicht automatisch eine langfristige Sicherheit.« Drei Viertel des gesamten Umschlags im Hamburger Hafen laufen über die drei Containerterminals und kleinere Kais der HHLA. Sie ist dem Umsatz nach der viertgrößte Hafenbetreiber weltweit.

Früher war die HHLA im alleinigen Besitz der Stadt Hamburg. Die Arbeitsbedingungen mit guter Bezahlung, Absicherung und Mitspracherechten strahlten auf die kleineren, privaten Hafenbetriebe aus. In den einzelnen Betriebsstätten galten die gleichen Tarifverträge. Es gab nur einen Betriebsrat. Mit dem Umbau der HHLA 2003 in einen Konzern ging eine Ausgliederung in selbständige GmbH einer Holding einher. Der früher einheitliche Tarif ist inzwischen in eine Vielzahl von lokalen Haustarifverträgen aufgespalten. Früher existierende kollektive Arbeitszusammenhänge, in denen Hafenarbeitende gemeinsam und in Eigeninitiative Probleme im Arbeitsablauf angingen, haben sich aufgelöst. Länger Beschäftigte berichten, über die Jahre sei eine fortschreitende Entsolidarisierung zu beobachten.

Durch die geplante Automatisierung wird sich dies vermutlich noch verstärken: Nicht das Wissen der Hafenarbeiter über die komplexen, eng mit­einander verzahnten Arbeitsabläufe sei gefragt, berichten Kollegen, sondern Gehorsam gegenüber dem vermeintlichen Expertenwissen der Führungsetagen. Die HHLA ging 2007 an die Börse, die Stadt Hamburg hält noch 68,4 Prozent der Aktien, überlässt jedoch alle strukturellen Entscheidungen dem HHLA-Vorstand, ohne politische Vorgaben im Interesse der Stadt und der Beschäftigten. Die als Steuerungselement geschaffene Hamburg Port Authority (HPA) scheitert oft am Widerstand der HHLA.

Alle, die im Hafen arbeiten, wissen um den Einbruch des Güterumschlags nach der Finanzkrise 2007. Bislang hat die bis dahin wachstumsgewohnte Hamburger Hafenwirtschaft im Containerbereich lediglich wieder die Umschlagzahlen von 2006 erreicht. Die Proteste von Hafenarbeitern gegen die ausschließliche Fixierung auf den Containerumschlag wurden ignoriert und ausgesessen. Dabei war die Entscheidung keineswegs alternativlos. Im Vergleich zum Containerumschlag ist der Stückgutumschlag wesentlich arbeitsintensiver und weniger automatisiert. Die Position Hamburgs als Universalhafen, der alle Marktfelder abdeckt, ist seit den neunziger Jahren immer mehr in den Hintergrund getreten.

Infolge des Zusammenbruchs der DDR und des Wirtschaftsverbundes um die Sowjetunion hatte der Hamburger Hafen plötzlich ein riesiges Hinterland. Die HHLA reagierte mit dem zügigen Aufbau ihres dritten Containerterminals, Altenwerder.

Dieser wurde 2002 eröffnet und zeichnet sich gegenüber den beiden anderen Terminals der HHLA, Tollerort und Burchardkai, durch eine weiter gehende Automatisierung aus. Nicht ganz zufällig wurden in Altenwerder kaum langjährige Hafenarbeiter der anderen Terminals eingestellt, sondern Arbeiter von außerhalb, denen der solidarische Kampf um gute Arbeitsbedingungen fremd war. Die Fixierung auf den Containerumschlag gipfelte in der Planung eines weiteren Containerterminals auf Steinwerder.

Diese Planung ist im Rahmen der Schifffahrts- und Containerkrise nach 2007 aufgegeben worden. Inzwischen ist allen Beteiligten im Hafen klar, dass es zwar Umverteilungen zwischen den großen Häfen an der Nordsee, der sogenannten Nordrange – Bremen, Wilhelmshafen, Antwerpen, Rotterdam – geben kann, aber das erwartete Wachstum nicht eintreten wird: In der gesamten Nordrange sind erhebliche, vor der Schifffahrtskrise geplante Überkapazitäten vorhanden.

Im Hamburger Hafen wurden für das erwartete Wachstum beim Containerumschlag Stückgutterminals verdrängt. Zum Jahresende 2016 wurde der Buss-Hansa-Terminal geschlossen. Die Buss-Gruppe bekam von der Stadt Hamburg über 130 Millionen Euro Abfindung, damit sie das Gelände räumt. Die Angestellten protestierten vor dem Hamburger Rathaus gegen die absurde Planung, der zufolge ein funktionierender Betrieb geschlossen werden sollte, um eine Fläche für eine Erweiterung des Containerumschlags freizumachen, die gar nicht mehr benötigt wird. Die Stadt ignorierte den Protest. Die private Firmengruppe erhielt noch nicht einmal die Auflage, einen Teil dieser Summe für Abfindungen für die zuletzt noch 90 dort beschäftigten Hafenarbeiter zu verwenden. Es gab zwar Abfindungen, aber sie waren niedrig.

Wenige Tage bevor die Vorstandsvorsitzende Angela Titzrath den 5 500 Angestellten der HHLA ihren Brief zukommen ließ, fand am 4. April in Hamburg die vom Bundesverkehrsministerium ausgerichtete »10. Nationale Maritime Konferenz« statt, auf der die Prekarisierung vieler Hafenarbeiter wie üblich kein Thema war. Dort beteiligt: die Verbände der Reeder, des Hafenkapitals, der Werften und der Windkraftindus­trie sowie die beiden Gewerkschaften IG Metall und Verdi. Alle unterzeichneten eine »Gemeinsame Erklärung zur Digitalisierung in der maritimen Wirtschaft«, in der analog zur »Wirtschaft 4.0« die Parole »Maritim 4.0« propagiert wird: »Neue Verfahren in Entwicklung, Produktion und Betrieb von An­lagen, Schiffen und Häfen lassen hohe Effizienzsteigerungen erwarten.« Die Perspektive des Kapitals zieht sich durch die gesamte Erklärung, zwischendurch wird noch die »gelebte Sozialpartnerschaft«, also die Einbindung von Gewerkschaften und Betriebsräten erwähnt. Der Aufbau »leistungsfähiger maritimer Lieferketten« läuft aber auf Entlassungen Älterer und Unqualifizierter hinaus.

Die Stadt Hamburg hat zur Förderung der Digitalisierung bereits 2013 das Programm »Smartport« aufgelegt, das, wie ein Senatsvertreter in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft am 28. März ausführlich darlegte, »sehr gute Mehrwerte für die HPA, den Hafen und die Stadt« liefere. Im offiziellen Bericht der Sitzung steht, es gehe um »Fragen der Akzeptanz, der Wirtschaftlichkeit, des Marktpotentials und der technischen Machbarkeit und Optimierung im Feldversuch«. Die Beschäftigten sind in diesem Feldversuch Objekte, keine Subjekte. Nirgendwo in dem 19seitigen Bericht der Ausschusssitzung ist von einer Einbeziehung der Hafenarbeiter, deren Bedürfnissen und Kompetenzen die Rede.

Auch die Gewerkschaften erheben keinen Anspruch auf Mitgestaltung der Arbeitsabläufe und -bedingungen. Im internen gemeinsamen Positonspapier von IG Metall und Verdi zur »Maritimen Konferenz« ist unter dem Titel »Chancen der Digitalisierung für die maritime Wirtschaft nutzen« die Rede davon, »dass die Hafenwirtschaft auch in Zukunft ihre wichtige Rolle für die exportorientierte Volkswirtschaft wahrnehmen kann«. Ein Hafenarbeiter sagte der Jungle World verärgert, es gebe keinerlei konzeptionelle Vorschläge zur Gestaltung von Arbeitsplätzen: »Es geht wie immer, bei voller Akzeptanz der Kapitalstrategie, um die sogenannte Arbeitsplatzsicherung der Restbeschäftigten und die Verteilungsspielräume der Rationalisierungsgewinne.« Auch der auf der »Maritimen Konferenz« angeregte »Tarifvertrag zum demographischen Wandel« stelle mit seinem »Demographiefonds« lediglich darauf ab, Mittel zu requirieren, um die Auswirkungen der Entlassungen abzufedern. »Die kommen«, so der verärgerte Hafenarbeiter, »durch entsprechende tarifvertragliche Zugeständnisse dann letztendlich von der Arbeitnehmer­seite.«