linksunten.indymedia.org wurde verboten

Vereinsverbot ohne Verein

Die Sperrung von linksunten.indymedia.org ist in erster Linie Wahlkampfgetöse. Doch CDU und CSU planen bereits die nächsten Schritte gegen die außerparlamentarische Linke.
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Einen Monat vor der Bundestagswahl hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) das Schwarze Brett der außerparlamentarischen Linken verboten. Das Bundesinnenministerium teilte dazu mit, linksunten.indymedia.org sei »die einflussreichste Internetplattform gewaltbereiter Linksextremisten in Deutschland«. Dort fänden sich neben strafbaren und verfassungsfeindlichen Inhalten auch »Tatbekennungen« und Aufrufe zu Straftaten. Das Verbot wurde auf Grundlage des Vereinsrechts ausgesprochen, wofür de Maizière die vermeintlichen Betreiber der Plattform kurzerhand zu einem Verein erklären musste. Diese Hilfskonstruktion könnte das Verbot juristisch anfechtbar machen. »Linksunten« hat bereits mitgeteilt, weitermachen zu wollen – mit Servern im Ausland dürfte das kein größeres Problem sein. Die Sperrung könnte also bloße Symbolpolitik bleiben.

Doch ob sie langfristig Bestand hat, dürfte für den Innenminister, der im Nebenjob CDU-Wahlkämpfer ist, so kurz vor der Bundestagswahl eine untergeordnete Rolle spielen. Für die Unionsparteien gilt es, bei konservativen und rechten Wählern zu punkten, um der AfD keine Wählerstimmen zu schenken. Da schadet es nicht, einen harten Hund im Innenministerium zu haben, der öffentlichkeitswirksam gegen »Linksextremisten« vorgeht. Bei der Pressekonferenz verlieh de Maizière dem Verbot zusätzliche Bedeutung, indem er nahelegte, dass bei den vermeintlichen Betreibern der Plattform Waffen gefunden worden seien – Messer, Schlagstöcke, Zwillen und ein Elektroschockgerät. Dadurch sollten die Betreiber als gewaltbereit dargestellt werden. Als das Blog netzpolitik.org nachfragte, musste das Innenministerium allerdings einräumen, dass diese Gegenstände nicht in Privatwohnungen sichergestellt wurden, sondern allesamt in dem großen autonomen Zentrum KTS – womit sie gar nicht den vermeintlichen Betreibern zugeordnet werden können. Es ist nicht das erste Mal, dass de Maizière mit einem eher taktischen Verhältnis zur Wahrheit auffällt.
Das verbotene Portal war den Sicherheitsbehörden seit Jahren bekannt, immerhin handelt es sich um eine der wichtigsten Quellen des Verfassungsschutzes. Während dieser noch NSU-Akten schredderte, veröffentlichte linksunten.indymedia.org bereits Informationen über das NSU-Umfeld, auf die sich später die Untersuchungsausschüsse stützten.

Dafür, dass das Verbot in erster Linie ein Wahlkampfmanöver ist, spricht auch, dass das Innenministerium nicht zuerst versucht hat, einzelne strafbare Inhalte der Plattform löschen zu lassen. Statt Aufrufen zu Straftaten dominierten langweilige Berichte von Mieterprotesten und ähnliche Harmlosigkeiten das Portal. Wäre der Minister erst gegen einzelne Beiträge vorgegangen, hätte er nicht mehr so kurzfristig Erfolge im »Kampf gegen Linksextremismus« für sich verbuchen können. Durch die Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg ist das Thema wieder en vogue.

Geht es nach CDU und CSU, war das Verbot von linksunten.indymedia.org allerdings nur der Auftakt einer Reihe von Maßnahmen gegen »den Linksextremismus«. Aus einem Papier der Innen- und Justizminister der Unionsparteien geht hervor, dass die linken Zentren »Rote Flora« in Hamburg und »Rigaer Straße« in Berlin die nächsten symbolträchtigen Ziele dieser Kampagne werden dürften. Auch Gesetzesverschärfungen, darunter eine weitere Einschränkung des Demonstrationsrechts, sind geplant. Die Strategie, die AfD klein zu halten, indem man sie imitiert, mag aufgehen – doch die AfD entscheidet damit die ideologischen Kämpfe für sich. Sie gewinnt also so oder so.