»Hard Revolution« von George Pelecanos

Washington von unten

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George Pelecanos ist schon ein ganz besonderer Stadtschreiber. Die Romane des Drehbuchautors der HBO-Serie »The Wire« erzählen die Geschichte von Washington, D.C., im 20. Jahrhundert, aber von unten. Der Nachfahre griechischer Einwanderer schreibt aus der Sicht von Arbeitern und Kleinkriminellen, von griechischen Migranten und Afroamerikanern. Pelecanos sieht die Geschichte auch aus der Perspektive der Privat­ermittler und Cops, denn obgleich er seit mittlerweile 18 Romanen unter Beweis stellt, dass er ebenso viel von Soziologie und Geschichte wie von Literatur versteht, ist er eben stets auch ein exzellenter Thrillerautor.
Um Fragen der Herkunft und des Überlebens geht es häufig, in Pelecanos’ 2004 im Original erschienenen Roman »Hard Revolution« außerdem um rassistische Gewalt und beschämende Erniedrigungen – und das nicht zu knapp. Angesiedelt ist die Geschichte um den schwarzen Teenager und späteren Polizisten Derek Strange in der Zeit von 1959 bis 1968. Die heftigen Auseinandersetzungen zwischen der stark diskriminierten schwarzen Bevölkerung und hauptsächlich weißen Cops, die unter dem Namen »Washington, D.C., riots of 1968« traurige Berühmtheit erlangten, mit zwölf Toten und über 1 000 Verletzten, bilden einen der Dreh- und Angelpunkte der Geschichte – schließlich gilt es, den Mörder von Dereks älterem Bruder zu finden.
Mit viel Empathie und enormem kulturhistorischen Wissen beschreibt Pelecanos unterschiedliche Lebensformen und milieutypische (kriminelle) Lebenswege. Er ist genauso nah dran an den halbstarken weißen Jungs und ihrem Rock ’n’ Roll wie am Stax-Soul-Sound, den Derek so liebt. Schwarz und weiß sind für den offenen jungen Mann eigentlich keine festen Kategorien, da ist er seiner Zeit weit voraus. Polizist aber wird er nicht bleiben. Dafür ist am Ende zu viel passiert. Beziehungsweise: viel zu wenig.

George Pelecanos: »Hard Revolution«. Aus dem Amerikanischen von Gottfried Röckelein. Ars Vivendi 2017, 399 Seiten, 24 Euro