Die politische Street-Art-Gruppe Çeta aus Tirana

Die Fassaden stürmen

Seit Anfang 2016 existiert die Street-Art-Gruppe Çeta. Sie ist nach dem albanischen Wort für antifaschistische Partisanen benannt.

Street Art und Graffiti sind in Tirana nicht sehr verbreitet. Selten bleibt der Blick auf einem Bild hängen. Und ein besonders gelungenes Graffito stellt sich beim genaueren Hinsehen als nichteinheimische Produktion heraus. Die kleine Signatur am Rand: Berlin 2016. Stark im Stadtbild verbreitet sind hingegen die von Tiranas Bürgermeister in Auftrag gegebenen bemalten Stromkästen. Knallbunt und sinnlos grinsen Homer Simpsons und Hello Kittys an jeder Ecke, als wären die Straßen Tiranas ein Ausstellungsraum für Schülerarbeiten. So läuft Urbanität nicht. Graffiti lassen sich nicht verordnen.

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»RiLuce – Fasada e rilindur e fashizmit« (RiLuce – die wiedergeborene Fassade des Faschismus). Der ehemalige Bürgermeister Tiranas und derzeitige Ministerpräsident Albaniens, Edi Rama, mit einem Stahlhelm aus Mussolinis Italien. Das Stencil richtet sich gegen den um sich greifenden Abschluss von Public Private Partnerships (PPP).

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Andreas Michalke

Umso erstaunlicher ist es, dass sich in Tirana eine Gruppe zusammengefunden hat, um politische Street Art zu machen. Die Gruppe Çeta, benannt nach den antifaschistischen Partisanengruppen auf dem Balkan im Zweiten Weltkrieg, begreift sich als kleine bewegliche Einheit. Die Mitglieder der Gruppe agieren anonym. Seit Anfang 2016 hat Çeta eine Handvoll ­Designs entworfen und mit Papier und Kleister oder Sprühschablonen an Tiranas Hauswände geworfen. Ihr erstes Werk, »Vojo Kushi Is Still Alive«, datiert vom April 2016. Die am weitesten verbreitete Arbeit der Gruppe ist ein Stencil, eine Montage, die den Ministerpräsidenten und ehemaligen Bürgermeister Tiranas mit einem Stahlhelm aus Musso­linis Italien zeigt. Çeta setzt die zunehmende Verschmelzung von Staat und Business  mit der Faschisierung des Landes gleich.

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»Don’t Buy Leeks, Buy Dynamite (Grandma Zylja Strikes Again)«. Kauft keinen Lauch, kauft Dynamit. Die 69jährige Nona Zylja wurde 2016 mit einen Bußgeld belegt, weil sie auf der Straße Gemüse verkauft hatte. Die Stadtverwaltung Tiranas versucht, den Straßenverkauf einzudämmen.

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Çeta

Bezeichnenderweise zeigt sich die Wirksamkeit von Çetas Street Art nicht so sehr in ihrer öffentlichen Verbreitung, sondern in der Tatsache, dass viele Arbeiten oft noch am selben Tag abgerissen oder übermalt werden. Çetas radikale Botschaft kommt offensichtlich bei den Verantwortlichen an.

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»Vojo Kushi Is Still Alive«. Vojo Kushi war ein kommunistischer Partisan, der posthum zum albanischen Nationalhelden erklärt wurde. Sticker unter Verwendung des Gemäldes von Sali Shijaku (1969), auf dem Kushi 1942 in Tirana eine Granate in die Luke eines Panzers wirft, bevor er von Carabinieri erschossen wird.

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Çeta