Small Talk mit Harel Chorev Halewa vom »Moshe Dayan Center for Middle Eastern and African Studies« an der Universität Tel Aviv über den neuesten Schritt der Hamas

»Die Hamas würde nie eine Niederlage zugeben«

Die Islamisten der Hamas haben angekündigt, die Macht im Gaza-Streifen an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) abzugeben. Harel Chorev Halewa ist Historiker und Vorsitzender des »Middle Eastern Network Analysis Desk« des »Moshe Dayan Center for Middle Eastern and African Studies« an der Universität Tel Aviv. Er forscht zurzeit vor allem zu sozialen Medien in der palästinensischen Gesellschaft.
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STWelche Gründe sehen Sie für den neuesten Schritt der Hamas?
Diese liegen vor allem im kompletten Versagen der Hamas, ihren Quasistaat erfolgreich am Laufen zu halten und aus ihrer ökonomischen und geopolitischen Sackgasse zu kommen. In dieser steckt die Hamas trotz verschiedener Strategien seit 2012, als sie die iranische Achse zugunsten einer stärkeren Anlehnung an Mohammed Mursis Ägypten verließ. Die Lage verschlechterte sich, als Mursi 2013 abgesetzt und von einer der Hamas sehr feindselig gegenüber­stehenden Regierung ersetzt wurde. Dennoch ist die wirkliche Frage, ob die Hamas einer Kontrolle der Sicherheitsbehörden in Gaza durch die PA und der Auflösung der Hamas-Kräfte zustimmen wird. Dies war immer zentral im Streit zwischen den Parteien. Ich vermute, dass die Hamas dies nicht tun wird.

Auf Bitten von Mahmoud Abbas lieferte Israel ab Juni weniger Strom in den Küstenstreifen, im Sommer litt die Bevölkerung in Gaza unter einem enormen Elektrizitätsmangel. Ist der Plan des PA-Präsidenten aufgegangen?
Die aggressive Politik von Abbas hat immens dazu beigetragen, die Position der Hamas zu erschüttern. Der Strommangel war nur ein Schritt, zudem zahlte die PA etwa 30 Prozent weniger Gehalt an Tausende Regierungsmitarbeiter im Gaza-Streifen, was die Krise verstärkte.

Die Hamas scheint am Boden, die Partei kündigt Neuwahlen an. Welches Ergebnis ist zu erwarten?
Die Unterstützung für die Hamas in Gaza nimmt definitiv ab, ihre Niederlage ist also möglich. Jedoch genießt die Fatah derzeit nicht mehr öffentlichen Rückhalt, insbesondere im Westjordanland. Die Palästinenser können zwischen »sehr schlecht« und »am schlech­testen« wählen.

Gesteht die Hamas mit ihrem neuesten Schritt ihre Niederlage im bewaffneten Kampf gegen Israel ein?
Eine Niederlage würde sie nie zugeben, denn das würde ihr die Existenzberechtigung als palästinensisch-islamistische Partei nehmen. Als solche, vor allem religiös begründet, lehnt sie jede Anerkennung des jüdischen Staates auf – in ihrer Definition – islamischem Land ab. Das Oslo-Abkommen, das scheint vergessen, scheiterte wegen der erfolgreichen Hamas-Taktik, israelische Busse zu sprengen. Aus ihren kürzlich veröffentlichten Plänen geht hervor, dass sie aus pragmatischen Gründen ihren Kampf gegen Israel aufschiebt. Nebenher ermutigt sie Einzelpersonen und Gruppen zur Fortsetzung ihres Jihad.

In der Westbank setzt die Hamas auf Terror und nutzt insbesondere das Internet für Propaganda. Gewalt und Terror mit neuen Strategien – ist das ihr neuer Fokus?
Unbedingt. Die Hamas führt die palästinensische digitale Sphäre an und ist allen anderen palästinensischen Gruppen hier weit voraus. Sie sieht das als Arena, um ihr Versagen in der echten Welt zu kompensieren, und versucht, dort möglichst viel politische zu ­mobilisieren und für den Terror zu rekrutieren.