Homestory #39

Nun haben wir den Kartoffelsalat. Vergangene Woche hatte ein Kollege noch gewarnt. »Am Ende bin ich dann Schuld, wenn es schief geht«, lehnte er maulend die Teilnahme am Jungle-Bundestagswahltippspiel (BTWTS) ab. Ausgerechnet der Chef vom Dienst war es, der mit seiner Vorhersage so richtig lag, dass er dafür jetzt böse Blicke und den Jackpot erntet. Niemand spricht es aus, aber vielleicht denkt es jemand – ist es unethisch, für den Gewinn des schnöden BTWTS-Jackpots (etwa 24 Euro, sobald auch der Feuilleton-Redakteur seine Wettschuld beglichen hat) auf den Einzug einer knappen Hundertschaft Faschisten in den Bundestag zu setzen? Fest steht: Es gab schon süßere Siege.

Fest steht ebenfalls: Das ist magisches Denken und hier hat jedenfalls niemand die AfD gewählt. Klar gemacht hat diese Wahl aber auch: Der Mythos, wenn viele Nichtwähler zur Stimmabgabe animiert würden, verhindere das den Erfolg von Rechtsextremen, ist eben das – ein Mythos. Die AfD hat mit Abstand die meisten bisherigen Nichtwähler für sich gewinnen können. Eine erfolgreiche Demonstration der Richtigkeit des Diktums von Heiner Müller – zehn Deutsche sind eben dümmer als fünf Deutsche.

Die Redaktion Ihrer Lieblingszeitung hingegen weiß, dass sich die Welt auch außerhalb Deutschlands weiterdreht, und analysiert im Schwerpunktthema dieser Woche die Vorgänge in Katalonien: Droht die Wiederkehr des zentralspanischen Faschismus? Wie viel Emanzipation steckt im Befreiungsnationalismus separatistischer Bewegungen? Was bedeutet das alles für die Zukunft der EU? Diese Fragen sind womöglich wichtiger als die, wie es mit der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag nach dem Abgang ihrer Vorsitzenden weitergeht.

Eine Abordnung der Jungle World wird sich am Montag vor Ort in Dresden dennoch ein eigenes Bild machen. »So kann’s nicht weitergehen« – das könnte das Motto für das Bundesland sein, in dem die AfD von allen Parteien die meisten Stimmen bekam. »So kann’s nicht weitergehen« ist zugleich das Motto, unter dem die Jungle World in Dresden ihren 20. Geburtstag nachfeiert – mit Film, Lesung und Party. Und hoffentlich ohne Kartoffelsalat. Davon gibt es am Dienstag dann wieder mehr als genug, da ist bekanntlich der deutsche Nationalfeiertag.