Aude Picault: »Ideal Standard«

Zu viel Retro, zu viel Romantik

Ideal StandardMit simplen Strichen gezeichnet, kommt die Graphic Novel »Ideal Standard« von der französischen Zeichnerin Aude Picault daher. Die Protagonistin Claire, eine Kinderkrankenschwester aus Paris, erinnert an Bridget Jones – Single, über 30, etwas pummelig, ziemlich unsicher. Sie ist auf der Suche nach der großen Liebe und findet Tristesse. Nach einigen One-Night-Stands trifft Claire auf Franck. Die beiden verlieben sich ineinander und ziehen zusammen in seine Wohnung. Schnell macht sich der Alltag breit, Unzufriedenheit folgt. Als Claire schwanger wird und sich nicht sicher ist, ob sie das Kind behalten will, zerbricht die Beziehung zu Franck.

Trotz der expliziten Szenen ist die Sexualmoral der Figuren etwas keusch. Es gibt kein Online-Dating, keine Polyamorie und keine aus­gefallenen Spiele; Claires Liebesleben dreht sich um das Kinderkriegen, den ­gemeinsamen Besuch bei den Eltern und die ewige Suche nach Romantik. Angekündigt als ein Buch über moderne Beziehungen, erscheint »Ideal Standard« vielmehr als ein Buch über Beziehungen und deren Konflikte vor 20 Jahren. Der Graphic Novel zufolge sind Männer faule Machos, die sich für ihre Partnerinnen nicht interessieren, und Frauen sind verträumt und naiv. Fernsehserien wie »Sex and the City« thematisierten dies bereits und entwickelten progressive Geschichten, in denen Frauen ihre Vorstellungen von Romantik, Beziehung und Sex in Frage stellen. Dies gelingt in »Ideal Standard« nicht: Das Buch wiederholt die klischeehafte These, dass Männer und Frauen grundlegend verschieden ­seien und nicht füreinander gemacht. Reines Glück sei es also, wenn eine Beziehung hält. Liebe mündet hier unvermeidlich in Zweierbeziehung und Elternschaft.

Längst haben sich aber neue Paradigmen in der Welt der Liebe ge­bildet. Pragmatismus statt Romantik, Flexibilität anstelle von Treue. Eine Thematisierung auch dieses Wandels hätte dem Buch gut getan.


Aude Picault: Ideal Standard. Aus dem Französischen von Silv Bannenberg. Reprodukt, Berlin 2017, 160 Seiten, 24 Euro