Arabische Diktaturen machen gute Geschäfte mit Deutschland

Patronen für die Potentaten

Unter der Großen Koalition hat der Umfang der Rüstungsexporte in ­arabische Diktaturen stark zugenommen. Nicht zuletzt mit Munitions­exporten machen deutsche Waffenhersteller Millionengewinne.

Die Aktionäre können sich freuen. Mit 1,34 Milliarden Euro hat die Rüstungssparte von Rheinmetall den Umsatz von Januar bis Juni 2017 um 93 Millionen gegenüber dem ersten Halbjahr 2016 gesteigert. Vor allem bei der Munitionsproduktion ist weiteres Wachstum zu erwarten. Mit 496 Millionen Euro lag der Gewinn der Rheinmetall Waffe ­Munition GmbH bis zum Sommer knapp über dem Wert des gleichen Vorjahreszeitraums.

Damit ist Deutschlands größtes Rüstungsunternehmen gut im Geschäft. Im vergangenen Jahrzehnt ist der Düsseldorfer Mischkonzern zu einem der wichtigsten Munitionshersteller der Welt aufgestiegen – nicht zuletzt, weil Armin Papperger, zugleich Vorstandsvorsitzender der Rheinmetall AG und Bereichsvorstandsvorsitzender der ­Unternehmenssparte Defence, die Produktion über Tochterfirmen und Joint Ventures in Staaten verlagert hat, in denen die Sicherheitsstandards niedrig und die Exportkontrollen lax sind.

Konfliktregionen wie der Nahe Osten, wo die Freiheitsrechte am geringsten sind und die Gewalt am größten ist, zählen zu den profitabelsten Märkten für Deutschlands Waffenhersteller.

 

Für neue Erträge der big five der deutschen Rüstungsindustrie ist gesorgt

Ermuntert fühlen kann er sich dabei von der Politik der Bundesregierung. Der geheim tagende Bundessicherheitsrat unter Vorsitz von Angela Merkel ­erteilte 2016 Genehmigungen für Munitionsexporte in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Der Gesamtwert für Zünder, Sprengköpfe, Granaten, Geschosse, Torpedos sowie Raketentorpedos lag damit höher als der für gepanzerte Fahrzeuge oder Kriegsschiffe.

Papperger fühlt sich dadurch in seiner Internationalisierungsstrategie be­stätigt: »Große Aufträge der Bundeswehr, aber auch von internationalen Kunden belegen, dass wir mit unserer Defence-Sparte vom weltweit steigenden Bedarf an Produkten für Verteidigung und Sicherheit profitieren«, sagte er im August.

Bereits 2016 ging fast die Hälfte der Rüstungsexporte von Rheinmetall in den arabischen Krisengürtel, wo die Konzerntochter Rheinmetall Denel Munition (RDM) mit Militärbetrieben der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), aber auch Saudi-Arabiens kooperierte. Ein Trend, der sich fortsetzen dürfte, da die Kriege von Libyen über Syrien und Irak bis Jemen für ­anhaltende Nachfrage an Großwaffensystemen, Kleinwaffen und Munition sorgen.

Dass dabei deutsche Waffenhersteller zum Zug ­kommen, wollte Vizekanzler Sigmar Gabriel eigentlich verhindern. Kurz nach seinem Amtsantritt kündigte er 2014 an, nach Nahost und Nordafrika nur »nach dem Grundsatz größter ­Zurückhaltung« Rüstungsexporte zu genehmigen. Doch das Gegenteil ­geschah: Allein 2016 genehmigte der Bundessicherheitsrat Exporte in Höhe von 6,9 Milliarden Euro – mit Algerien als Hauptempfänger, Saudi-Arabien und Ägypten auf den Plätzen drei und vier sowie den Emiraten ebenfalls ­unter den Top Ten.

Daran dürfte auch Gabriels Nachfolger nichts ändern, wenn im Winter eine neue Regierung in Berlin gebildet ist. Branchenkenner gehen davon aus, dass die Verteidigungsetats im Nahen Osten und in Nordafrika bis 2020 um vier bis fünf Prozent wachsen werden. Für neue Erträge der big five der deutschen Rüstungsindustrie – Rheinmetall Defence, Krauss-Maffei Wegmann, Diehl Defence, Airbus Defence und Thyssenkrupp Marine Systems – ist also gesorgt. Die Aufrüstung lassen sich vor allem die Golfstaaten einiges kosten: Mehr als 63 Milliarden US-Dollar gab Saudi-­Arabien 2016 für neue Waffensysteme und den Unterhalt seiner Streitkräfte aus – nur die USA, China und Russland investierten noch mehr.

 

Die Golf-Monarchien wollen sich vom Westen unabhängig machen

Angeheizt wird das Geschäft nicht nur durch die Konfrontation der sunnitischen Golf-Monarchien mit dem schiitischen Iran, sondern auch durch das ­Bestreben, sich unabhängig zu machen von westlichen Importen. Allen voran setzen die beiden Führungsmächte des Golf-Kooperationsrats (GCC), Saudi-Arabien und die VAE, bis 2030 auf einen umfangreichen Ausbau der heimischen Rüstungsindustrie. Schon lange bereiten sie sich auf das Ende des Ölzeitalters vor. Die Expansion des militärisch-industriellen Komplexes ist Teil dieser Strategie, ungeachtet der eingebrochenen Rohstoffpreise.

Davon, dass die sunnitischen Frontstaaten dabei buchstäblich über Leichen gehen, profitiert die globale Rüstungsindustrie, die 2015 mehr als 370 Milliarden US-Dollar umsetzte. Zweieinhalb Jahre nach Beginn des Kriegs im Jemen ist kein Ende des Konflikts in Sicht. Mehr als 10 000 Tote und Millionen Vertriebene sind das verheerende Resultat des Stellvertreterkriegs, den die Armeen der autoritären Golf-Regimes gegen die vom Iran unterstützten Houthi-Milizen führen.

Größter Abnehmer bei den deutschen Rüstungsfabrikanten war 2015 Katar. Das kleine, aber mächtige Emirat am Persischen Golf ist aufgrund seiner ­eigenständigen Außenpolitik Rivale Saudi-Arabiens und der VAE um die Vorherrschaft auf der arabischen Halbinsel. Exportgenehmigungen für 33 Kampfpanzer und 19 Panzerhaubitzen aus deutscher Produktion erteilte der Bundessicherheitsrat der katarischen Regierung 2016 – zur Freude des jungen Emirs Tamim bin Hamad ­al-Thani. Dieser könnte die Waffen künftig gegen Saudi-Arabien einsetzen, das seine Streitkräfte ebenfalls mit deutscher Wehrtechnik hochgerüstet hat. Denn seit der junge saudische Kronprinz Mohammed bin Salman und der Thronfolger der Emirate, Mohammed bin Zayed, im Juni beschlossen, Katar mit einem Boykott zu belegen, ist der Zwergstaat ein Thema der internationalen Krisendiplomatie.

 

Deutschland hält trotz Kritik vom Europaparlament an Kooperation fest

Das sollte eigentlich Grund genug für die Bundesregierung sein, ihre Politik gegenüber den GCC-Staaten zu überdenken.

Zumal 2016 das Europapar­lament gefordert hatte, Saudi-Arabien mit einem Waffenembargo zu belegen, solange das Königreich den Krieg im Jemen nicht beende. Doch anders als Schweden, das bereits ein Jahr zuvor die militärische Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien ausgesetzt hatte, hält Deutschland an der Rüstungskooperation fest – ungeachtet auch der Einschätzung des Bundesnachrichtendiensts, dass Kronprinz Mohammed bin Salman eine aggressive Interventionspolitik verfolge. Unter anderem dank Militärtechnologie made in Germany.

Die saudische Luftwaffe ist nicht nur mit Kampfflugzeugen der Typen Tor­nado und Eurofighter Typhoon ausgerüstet, die einen hohen deutschen ­Entwicklungs- und Produktionsanteil haben. Sie bezieht auch Iris-T-Raketen des Unternehmens Diehl Defence, das in Abu Dhabi ein Außenbüro hat.

Auch Ägypten mischt kräftig mit in der antiiranischen Militärallianz im ­Jemen. 2016 rangierte die Militärdiktatur Abd al-Fattah al-Sisis auf Rang vier der Empfänger deutscher Rüstungsgüter. Dass unter dem Sisi-Regime Zehntausende in den Gefängnissen gelandet sind und der Antiterrorkrieg auf dem Sinai nicht mehr Stabilität gebracht hat, sondern neue innere Unruhe und soziale Verwerfungen, interessiert die Bundesregierung dabei wenig.

Das zeigte sich auch während Sigmar Gabriels Kairo-Besuch im April 2016, als er Sisi als »beeindruckenden Präsidenten« bezeichnete. Seine angeblichen Versuche, den Rüstungsexport in die Krisenregion Nahost zu begrenzen, werden dadurch nicht glaubwürdiger. Zwar gelten auch Widerstände im Wirtschaftsministerium als Grund für Gabriels Scheitern, zumindest die deutschen Kleinwaffenexporte einzuhegen, was 2015 vorübergehend gelang. Doch auch die mächtige Allianz, die die wehrtechnische Industrie, wie sie ihre ­Repräsentanten gerne nennen, mit Abgeordneten aus CDU und SPD in den Wirtschafts- und Verteidigungsausschüssen des Bundestags pflegt, tastete er nicht an.

Wichtigste Garantin dafür, dass sich an der engen Verflechtung von Politik und Rüstungslobby ohne außerparlamentarischen Druck nichts ändern wird, ist Angela Merkel. Seit ihrem Amtsantritt 2005 ist der Umfang der unheilvollen Ausfuhren in Krisengebiete stetig gestiegen. Daran änderten auch die wechselnden Koalitionspartner nichts – weder unter dem damaligen FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler als Wirtschaftsminister noch unter Gabriel oder dessen Parteifreundin Brigitte ­Zypries.

Konfliktregionen wie der Nahe Osten, wo die Freiheitsrechte am ­geringsten sind und die Gewalt am größten ist, dürften deshalb weiter zu den profitabelsten Märkten für Deutschlands Waffenhersteller zählen, unabhängig davon, wer künftig das für die Genehmigung von Rüstungs­exporten zuständige Wirtschaftsministerium kontrolliert.