»Mit Rechten reden« – was soll das bringen?

Reden mit Ein-Mann-Kasernen

Derzeit rufen Linksliberale dazu auf, mit den extremen Rechten zu reden. Im Umgang mit dem politischen Islam haben sie längst bewiesen, wozu der Dialog mit autoritären Charakteren führt.

Es ist nötig, diesen Leuten zuzuhören – auch wenn es so klingt: Schwule zer­setzen mit der »Homo-Ehe« die traditionelle Familie, Flüchtlinge bedrohen das deutsche Volk und seine Kultur, und für all das muss der von Horst Seehofer schmählich verratene »Mittelstand« auch noch zahlen – das ist die Lage nach Ansicht der Rednerinnen und Redner des Berliner Pegida-Ablegers Bärgida. Was ihnen trotz des Jammers Hoffnung gibt, verrieten sie in der vergangenen Woche ebenfalls auf der Kundgebung vor dem Berliner Friedrichstadtpalast: das Ergebnis der AfD bei den Bundestagswahlen. Und die Aussicht, irgendwann »aufräumen« zu können. Den Gegendemonstranten, von einem Redner als »rote Ratten« bezeichnet, drohte eine Rednerin als Strafe für die Aufnahme muslimischer Flüchtlinge in Deutschland die »Zwangsbeschneidung« an – »aber ohne Be­täubung«.

Eine Erkenntnis für den kritischen Zuhörer wäre, dass keine Grundlage für Gespräche mit einem Milieu besteht, das einem in der Phantasie bereits nach der körperlichen Unversehrtheit trachtet. Dennoch kursiert derzeit die Parole »Mit Rechten reden«.

Die Autoren Daniel-Pascal Zorn, Maximilian Steinbeis und Per Leo haben kürzlich ein Buch mit diesem Titel veröffentlicht, Untertitel: »Ein Leitfaden«. Linksliberale Medien sind angetan: »Geist und Witz« habe das Buch, schwärmt eine Rezensentin der Zeit; von einem »Werk zur rechten Zeit« spricht die Süddeutsche Zeitung, von einem »hoch ­reflektierten Band« die Taz. Der Freitag lobt: »Alles hat seine Zeit. Dieses Buch gilt unserer.«

Dank journalistischer Wallfahrten nach Schnellroda ist nun bekannt, dass Götz Kubitschek auch ein begabter Ziegenflüsterer ist.

Dabei ist schon der Titel ein begrifflicher Schwindel. Selbstverständlich ­ließe sich mit Konservativen beispielsweise Max Horkheimers These diskutieren, dass »der wahre Konservative dem wahren Revolutionär verwandter sei als dem Faschisten, so wie der wahre Revolutionär dem wahren Konservativen verwandter ist als dem sogenannten Kommunisten heute«. Doch den ­Autoren geht es nicht um solche Konservative. Das zeigt bereits eine Empfehlung zu Anfang des Buchs: »Treibe Sport mit Nazis«. Es geht Steinbeis, Leo und Zorn um Rechtspopulisten, die Neue Rechte, Faschisten und ähnliche Sport­kame­raden.

 

Im Geist des bürgerlichen Idealismus

Wahrscheinlich hätte der Titel »Mit Nazis reden« den Weg in die Bestsellerliste des Spiegel aber vorschnell verbaut.
Wie bei der Lektüre deutlich wird, wissen die Autoren selbst nicht, wer ihnen gegenübersteht. Im Geist des bürgerlichen Idealismus stellen sie Regeln für das Gespräch in der Öffentlichkeit auf: »Unterscheide Person und Rede«; »Der andere könnte recht haben«; »Achte deinen Gegner«. In einer solchen ­Öffentlichkeit kommen bürgerliche Subjekte zusammen, um Interessenkonflikte mit vernünftigen Argumenten auszutragen. »Das ist die Grundform des Gesprächs: Den anderen als gleichberechtigten Teilnehmer ernst nehmen«, beschrieb Zorn in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sein Wunschbild. Wer mit solchen Kategorien operiert, dem entgeht allerdings, dass er es zurzeit mit ganz anderen Gesprächspartnern zu tun hat: mit Subjekten im mentalen Ausnahmezustand, die sich gehorsamst dem ­Diktat des Kapitalverhältnisses und der entfesselten Konkurrenz unterworfen haben und für diese Selbstzurichtung nun andere büßen lassen wollen; in ­anderen Worten: mit autoritären Charakteren.

»Die Liberalen und die Linken wissen so gut wie nichts über die Rechte, wie sie denkt, was sie weiß, wie sie argumentiert«, begründete ein Redakteur des Spiegel kürzlich seinen mehreren Tausend Followern auf Facebook die Notwendigkeit des Dialogs. Doch all das könnte wissen, wer beispielsweise in den vergangenen 14 Jahren gelegentlich einen Blick in Götz Kubitscheks Sezession geworfen hätte. So lange geht der mittlerweile allseits bekannte Verlagsleiter aus Schnellroda schon mit der neurechten Propaganda von Identität, Kultur, Abstammung, Tradition und »Indigenität« hausieren, so lange zerbricht er sich bereits den Kopf über die Erlangung der »kulturellen Hegemonie« als Etappe auf dem Weg zur politischen Macht. Wie er es mit den Juden hält, zeigte er im vergangenen Jahr.

Nachdem der Journalist Alan Posener, Sohn des jüdischen Architekturhistorikers Julius Posener, Kubitschek wegen dessen öffentlich geäußerten Überlegungen zur »welt­geschichtlichen Bedeutung des Judentums, des Zionismus oder der Holocaust-Industrie« und der Verharmlosung der antisemitischen ­Äußerungen des AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon des Anti­semitismus beschuldigt hatte, ver­fasste die »Ein-Mann-Kaserne« (Kubitschek über Kubitschek) einen Text mit dem Titel »Ein vergifteter Brunnen – Alan Posener zugedacht«. Jude, Brunnenvergiftung – ein völkisch-deutscher Klassiker.
All das könnte man wissen, ganz ohne die zahlreichen home stories linksliberaler Wallfahrer aus Kubitscheks Gut in Schnellroda. So aber verhalfen Journalisten unter anderem des Spiegel und der New York Times dem neurechten Publizisten zu einer Publicity, die er über seine eigenen Kanäle nie erreicht hätte. Immerhin ist nun bekannt, dass der Selbstversorger Kubitschek auch ein begabter Ziegenflüsterer ist.

Ohnehin haben die politischen Protagonisten des linksliberalen Milieus im Umgang mit anderen Rechtsextremen längst bewiesen, wohin ihre Dialog­bereitschaft führt, nämlich im Umgang mit islamischen Reaktionären. Um nur zwei jüngere Beispiele aus Berlin zu nennen: Im März nahm der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) an einer vermeintlichen Gedenkveranstaltung für die Opfer des jihadistischen Anschlags auf dem Breitscheidplatz teil – an der Seite von Sympathisanten der Muslimbruderschaft und der Hamas und gegen den Rat des Zentralrats der Juden. Und seit dem Sommersemester darf das »Al-Mustafa-Institut für Kultur- und Humanwissenschaften und islamische Studien« in der Stadt einen Bachelor-Studiengang in islamischer Theologie anbieten – trotz Warnungen von Exiliranern, dass solche Ableger der im iranischen Qom ansässigen Al-Mustafa-Universität dazu dienten, die Ideologie des iranischen Regimes zu verbreiten, wie etwa das US-amerikanische »Iranian American Forum« aufzeigt.

Zum Schutz von »Identitäten« und »Kulturen« islamischer Prägung vor den vermeintlichen Zumutungen »des Westens« ist das linksliberale Milieu zur Aufgabe bürgerlicher Grundsätze und zur Zusammenarbeit mit islamischen Reaktionären bereit, die global gesehen weitaus gefährlicher sind als deutsche Rechtsextreme. Diese dürften sich dadurch ermuntert fühlen, auf dem Ticket von Identität, Kultur und der Ablehnung »des Westens« ihrerseits das Gespräch zu suchen. Auf der linksliberalen Gegenseite besteht Bereitschaft.

Wohin der nun mögliche Dialog führen könnte, zeigt ein Blick nach Frankreich. Im Gespräch mit dem Spiegel sagte die französische Schriftstellerin Virginie Despentes jüngst: »Wir hatten dasselbe Problem, als der Front National seinen Aufstieg begann. Die französischen Medien entschlossen sich, mit ihnen zu sprechen.« Doch mit der extremen Rechten zu reden, brachte Despentes zufolge nur eines: »mehr extreme Rechte«.