Gentrifizierungsgegner richten sich gegen die Kunst

Noch mehr schmutzige Wäsche

Bei den Protesten gegen Gentrifizierung unter dem Label »Artwashing« werden mittlerweile auch Morddrohungen ausgesprochen.

Nach »Pinkwashing« und »Whitewashing« wird seit kurzem auch unter dem Begriff »Artwashing« knallharte Politik gemacht. Wie bei seinen Vorgängern handelt es sich auch bei »Artwashing« um eine Verschwörungstheorie: nämlich die, dass die Existenz von Galerien automatisch der Gentrifizierung Vorschub leiste und zu Verdrängung führt. Nicht kapitalistischer Verwertungszwang, sondern Einzelpersonen werden hier verantwortlich gemacht.

Als Legitimation der krassen Proteste muss zeitgemäß die Identität herhalten.

Eine der Kampagnen unter diesem Label hat nun die US-amerikanische Künstlerin Laura Owens getroffen. Sie betreibt bereits seit 2013 den Kunstraum 356 Mission im hauptsächlich von Latinos bewohnten Viertel Boyle Heights in Los Angeles. Auf ihrer Internetseite veröffentlichte sie im November ein Statement, in dem sie schilderte, wie mit ihr und ihren Mitarbeitern umgesprungen worden war. Nachdem Protestierende eine Veranstaltung in dem Raum gestört hätten und auf ein Gesprächs­angebot von Owens nicht eingegangen seien, hätten sich die Angriffe radikalisiert. Es habe Rufmordkampagnen im Internet gegeben und schließlich auf dem Anrufbeantworter hinterlassene Morddrohungen, so Owens.

Maßgeblich aktiv in Sachen Denunziation von »Artwashing« zeigt sich eine Initiative mit dem Namen »Boyle Heights Alliance Against Artwashing and Displacement«, kurz BHAAAD, aus deren Umfeld wohl auch die Drohungen gegen Owens stammen. Dem Zusammenschluss ist dieses Jahr bereits ein »Erfolg« gelungen, nämlich die Schließung des Kunstraums PSSST. Das Projekt war wie das von Owens nicht profitorientiert und hatte, wie die Beteiligten selbst formulierten, vor allem »unterrepräsentierte«, nämlich schwarze und queere Künstler gezeigt. Dieses Engagement war den Aktivisten aber nicht genug, für sie ist jede Kunsteinrichtung prinzipiell eine zu viel. »Wir werden nicht aufhören zu kämpfen, bis alle Galerien gegangen sind«, so die martialische Formulierung in einem ihrer Aufrufe.

Als Legitimation der krassen Proteste muss zeitgemäß die Identität herhalten. Boyle Heights wird imaginiert als ein »natürliches« Viertel voller authentischer und »marginalisierter« ­Leute, die nun durch Kunst vertrieben werden. Nötig sei bezahlbarer Wohnraum, keine Galerie. Dem stimmt Laura Owens in ihrem Statement zu, ergänzt dies aber vernünftigerweise durch den Hinweis, dafür müsse Druck auf die lokalen Behörden und Hauseigentümer aufgebaut werden. Ihre Gegner aber beharren auf der Homogenität ihres Viertels, welche ihrer Meinung nach am besten vor Gentrifizierung schützt. Laura Owens solle doch mit ihrer Kunst nach Beverly Hills gehen, heißt es in einem ­offenen Brief an sie.

Dass Owens dort wohl die Miete für einen Raum nicht bezahlen könnte, in dem wie jetzt kostenlose Ausstellungen und Lesungen veranstaltet werden, lässt man wissentlich unter den Tisch fallen. Auch handelt es sich weder bei PSSST noch 356 Mission um klassische Verkaufsgalerien, sondern um Offspaces.

Dass wie auch in diesem Fall die Opfer solcher Kampagnen meist politisch engagiert sind und sich auf die Rhetorik der identity politics einlassen, zeigt, worum es den Aktivisten gegen sie geht: nicht um den vielbeschworenen Diskurs, sondern um die autoritäre Durchsetzung von Macht. Die als elitär und abgehoben imaginierte Kunst dient hierbei als besonders gute ­Projektionsfläche für die eigenen Ressentiments.