Die Aussagen des Geschäftsmannes Reza Zarrab vor einem amerikanischen Gericht setzen Erdoğan unter Druck

Zarrabs heikle Aussagen

Als Zeuge der Anklage sagt der iranisch-türkische Geschäftsmann Reza Zarrab vor einem US-amerikanischen Gericht über illegale Ölgeschäfte mit dem Iran aus. Dadurch gerät auch der türkische Präsident Erdoğan unter Druck.

Sein Fall beschäftigt die Türkei und den Iran ebenso wie die USA. Im März vergangenen Jahres wurde der iranisch-türkische Geschäftsmann Reza Zarrab in den USA verhaftet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Geldwäsche, Bankbetrug und den Verstoß gegen die US-amerikanischen Sanktionen gegen den Iran vor. Vergangene Woche hat Zarrab vor einem New Yorker Gericht ausgesagt, allerdings als Zeuge der ­Anklage. Auf der Anklagebank sitzt der frühere stellvertretende ­Direktor der staatlichen ­türkischen Halkbank, ­Mehmet Hakan Atilla.

Reza Zarrabs Aussagen bringen Erdoğan vor einem US-amerikanischen Gericht mit Sanktionsverletzungen und Korruption in Verbindung.

Zarrabs Lebenslauf ist ­beeindruckend. Als Sohn iranisch-aserbaidschanischer Eltern im iranischen Tabriz geboren, wuchs er in Aserbaidschan und der Türkei auf. Nachdem er sich in Istanbul niedergelassen hatte, erhielt er zusätzlich zur aserbaidschanischen die türkische Staatsangehörigkeit. Wie die – mittlerweile eingestellte – englischsprachige türkische Zeitung Today’s Zaman 2015 berichtete, soll Muammer Güler von der Regierungspartei AKP 2013 in seiner Amtszeit als Innenminister auch Zarrabs Vater zur türkischen Staatsbürgerschaft verholfen haben. Die Verleihung soll auf Basis des Artikels 12 des Staatsbürgerschaftsrechts stattgefunden haben, der es ermöglicht, vergangene oder zukünftige außerordentliche Lei­s­tungen für die Türkei auf diese Weise zu honorieren.

Zarrabs Verfahren in den USA hatte ein Vorspiel in der Türkei. Am 17. Dezember 2013 verhaftete die türkische Polizei neben Zarrab auch Söhne des Innenministers Muammer Güler, des Wirtschaftsministers Mehmet Zafer Çağlayan und des Umweltministers Erdoğan Bayraktar im Zuge der Ermittlungen in einem Korruptionsskandal. Sie sollen in großem Stil Geschäfte zur Umgehung der Sanktionen gegen den Iran getätigt haben.

 

Die Türkei nutzte eine Lücke im Embargo und bezahlte mit Gold

 

Da die Türkei wegen der Iran-Sanktionen ihren Importbedarf an Erdöl nicht mehr decken konnte, nutzte sie eine Lücke im Embargo – und bezahlte mit Gold. Die Abwicklung übernahm zumindest teilweise die Halkbank, die zunächst den Verkaufspreis des Erdöls auf iranischen Konten gutschrieb, den Gegenwert in Gold besorgte und dieses schließlich nach Teheran transportieren ließ. Der Umfang der Geschäfte wird auf 13 Mil­liarden US-Dollar geschätzt. Allerdings schlug der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan schon Anfang 2014 die Ermittlungen nieder, die Verhafteten wurden freigelassen.

Als Zarrab im März 2016 in die USA einreiste, wurde er dort verhaftet. ­Seither hat Erdoğan unter anderem bei Begegnungen mit US-amerikanischen Präsidenten, zunächst mit Barack Obama, dann mit Donald Trump, alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit das Verfahren eingestellt wird und Zarrab in die Türkei ausreisen kann, allerdings vergeblich.

Am 26. Oktober bekannte sich Zarrab  schuldig und bot an, gegen Strafminderung als Zeuge auszusagen. Vor Gericht habe er in seiner Aussage Erdoğan und einige von dessen Vertrauten »schwer belastet«, hieß es in der FAZ; sie hätten an einer lukrativen Umgehung der Sanktionen gegen den Iran gut verdient oder sie zumindest gebilligt. Zarrab selbst habe dafür gesorgt, dass der Iran Erdöl im mehrstelligen Milliardenbereich über die Türkei in den Westen verkaufen konnte, wofür er mit Gold bezahlt worden sei. Darüber hinaus habe Zarrab zugegeben, den ehemaligen türkischen Wirtschaftsminister Çağlayan mit etwa 50 Millionen Euro, sieben Millionen Dollar und gut zwei Millionen Lira geschmiert zu haben.

Diese Aussagen bringen Erdoğan vor einem US-amerikanischen Gericht mit Sanktionsverletzungen und Korruption in Verbindung. Ob die Aussagen Zarrabs der Wahrheit entsprechen, ist bislang ungewiss. Die türkische ­Regierung protestierte gegen den Prozess, der Sprecher von Erdoğans Re­gierungspartei AKP bezeichnete Zarrab als »Geisel« der USA. Erdoğan selbst sagte, die Türkei habe nicht gegen die Iran-Sanktionen verstoßen.

Die US-Anklage erwähnte allerdings weitere Indizien: In der Wohnung des damaligen Generaldirektors der Halkbank, Süleyman Aslan, hatte die türkische Polizei im Dezember 2013 Schuhschachteln mit 4,5 Millionen US-Dollar gefunden – Bestechungsgeld von Zarrab. Es liegen Telefonmitschnitte mit engen Vertrauten Erdoğans vor, die ­belegen sollen, dass Erdoğan von den illegalen Deals wusste. Dazu gehört auch der 2014 an die Öffentlichkeit gelangte Mitschnitt eines Telefonats, in dem Erdoğan selbst seinen Sohn Bilal auffordert, Millionen Euro aus dem Haus zu schaffen.

 

Der Fall Zarrab und die Ermittlungen gegen Michael Flynn

Pikant ist der Fall Zarrab auch für die Ermittlungen gegen den früheren Berater Trumps, Michael Flynn. Flynn hatte erst nach seiner Entlassung offengelegt, im Auftrag der Türkei Lobbyarbeit gemacht zu haben. Sonderermittler Robert Mueller geht derzeit auch der Frage nach, ob Flynn zu irgendeinem Zeitpunkt den Fall ­Zarrab mit türkischen Behörden diskutiert hat. Flynn war zuvor zwar als ­Lobbyist registriert, stellte seine Rolle als sogenannter foreign agent allerdings nicht ausreichend dar. US-Präsident Trump soll von seinen Lobbying-Tätigkeiten nichts gewusst haben, bevor er ihn zum »National Security ­Adviser« kürte – und ihm somit Zugang zu streng geheimen Treffen und Informationen verschaffte.

Im September berichtete das Wall Street Journal über Flynns Pläne, den türkischen Prediger Fethullah Gülen, dem die türkische Regierung vorwirft, den Putschversuch im Juli 2016 angeführt zu haben, mit dem Flugzeug aus den USA in die Türkei zu verfrachten. Im Gegenzug dafür sollte er mehrere Millionen US-Dollar erhalten. CNN berichtete am Freitag voriger Woche, ­Sonderermittler Mueller werfe Flynn zudem vor, wissentlich falsche Aussagen gegenüber dem FBI gemacht zu haben – allerdings, was seine Kontakte zum russischen Diplomaten Sergey Kislyak betrifft.