Die deutsche Ausgabe von »Charlie Hebdo« wird eingestellt.

Au revoir

Die deutsche Ausgabe des Satiremagazins war von Anfang an ein ökonomisch gewagtes Projekt.

»Ein Jahr lang belästigt … Es reicht.« Mit dieser Schlagzeile auf dem Titelblatt verabschiedet sich die deutsche Ausgabe von Charlie Hebdo am 30. November 2017 von ihren Lesern. Das Magazin, das seit Dezember 2016 immer donnerstags und stets 24 Stunden nach der französischen Ausgabe am Kiosk lag, war von Anfang an ein ökonomisch gewagtes Unterfangen. Am Ende hat es sich nicht gerechnet. »Wir selbst wussten nicht, wie viele Leser es braucht, damit eine gedruckte Zeitung heutzu­tage rentabel ist. Zu viele jedenfalls, um unseren Besuch bei euch zu verlängern«, schreiben die Chefredakteure Minka Schneider und Gérard Biard in der letzten Ausgabe. »Es fiel uns nicht leicht, euch zu verstehen, so wie es euch sicher nicht ­immer leichtfiel, uns zu verstehen.«

Das Magazin, das größtenteils aus übersetzten Beiträgen der französischen Originalausgabe und nur wenigen Karikaturen mit deutschen Themen bestand, verweigerte sich der klassischen Ressorteinteilung in Politik, Wirtschaft, Soziales, Feuilleton und Sport. Charlie Hebdo ist eine für die deutsche Kundschaft ungewohnt krude Mischung aus Essays, Karikaturen und Kolumnen. Das Heft vermittelte eine ganz bestimmte Art, auf die Welt zu sehen. Gekümmert wurde sich um »das Abwegige, das Eigenartige, mitunter Perverse«. Selbstverständlich brach in vielen analytischen Beiträgen unvermittelt der Witz hervor. Ebenso gab es ellenlange Beiträge zu Politik und Ökonomie, von denen jene Leser enttäuscht wurden, die auf Ironie und Witz spekuliert hatten.

Die Grundidee des Blatts ist der linke universalistische Gleichheitsgrundsatz, den die Redaktion gegen alle Moden und Widerstände hochhält. Früher nannte man das Internationa­lismus. Unerbittlich werden die Interessen von Konzernen und den ihnen nahestehenden Parteipolitikern angegriffen. Charlie Hebdo vergaß dabei auch diejenigen nicht, die im Kapitalismus unter die Räder kommen, unterlässt es aber angenehmerweise, die Gestrauchelten noch mit Mitleid zu überschütten. Anteilnahme muss reichen. Stets verzichtet Kritik auf moralisches oder verschwörungstheoretisches Pathos.

Bekanntlich wehrt sich die Zeitung in bester laizistischer Tradition gegen den Einfluss der Religion auf das staatliche und ­öffentliche Handeln und zwar insbesondere, wenn die Freiheit des Individuums bedroht ist. Aber sie hat sich in ihren 52 deutschen Ausgaben nie pauschal gegen Religionen ausgesprochen, auch wenn die Spielarten des Islam stärker aufs Korn genommen werden als das Christentum.

Ein wöchentliches Highligt war der Nachdruck der Kolumne »Charlies Fatwa-Sammlung« des langjährigen Chefredakteurs Stéphane Charbonnier, der bei dem Anschlag auf die Redaktion im Januar 2015 von Islamisten ermordet wurde. Vor ihm war nichts sicher, zum Beispiel die widerlichen Rollkoffer, deren Lärm einem in Bahnhöfen und Innenstädten in den Ohren dröhnt. Großartig waren die mit dem Zeichenstift protokollierten Gerichtsverhandlungen, in denen es meist um schmerzhafte Konflikte zwischen weniger Betuchten geht. Nicht zuletzt diese Bildgeschichten mit ihrer dichten Beschreibung sozialer ­Realität wird man vermissen.